Das erste, was Sie tun müssen, wenn Sie ein Telefon-Interview mit einem passive Kandidaten führen möchten, ist sich in deren Lage zu versetzen. Nur wenn Sie die Situation aus deren Perspektive sehen, können Sie eine Candidate Experience schaffen, die Ihren Gesprächspartner überzeugt. Und dazu bringt, dass Sie von ihm die Reaktionen erhalten, die Sie planen und wünschen. In diesem Blogpost fassen wir Ihnen die wichtigsten Do’s und Don’ts von Telefon-Interviews mit passiven Kandidaten zusammen.

Von Elfen, Einhörnern und “latent-suchenden, passiven Kandidaten”

Der Unterschied zwischen einem passiven Kandidaten und einem Bewerber sollte klar sein: Der Bewerber hat die Koffer bei seinem bisherigen Arbeitgeber gepackt und plant seine berufliche Reise. Er kann sich vorstellen, dass diese zu Ihnen als möglichen neuen Arbeitgeber führt: Seine Wechselbereitschaft bringt er durch seine Bewerbung bei Ihnen zum Ausdruck.

Der passive Kandidat ist dagegen ganz und gar nicht wechselbereit. Vergessen Sie den Marketing-Erfindung von den angeblich “latent-suchenden, passiven Kandidaten” – die gibt es nicht. Das ist ein sogenannter Euphemismus, in dem beschönigt werden soll, dass man mit Maßnahmen für Bewerber nur einen kleinen Teil der möglichen Workforce erreicht. Also tut man so, als wenn diese Bewerber-Kampagnen dann auch für die anderen, also die “Nicht-Bewerber”, passt.

Doch die wirklich passiven Kandidaten werden so nicht aktiviert und man verliert sie. Sie verhalten sich anders als Bewerber. Und es ist leider sogar noch komplizierter: Passive Talente verhalten sich sogar offline anders online, denn durch ihre fehlende Wechselbereitschaft aktualisieren sie zum Beispiel weder den Lebenslauf noch die Profile (hier mehr unter: So überzeugen Sie passive Kandidaten: 16 Empfehlungen)

Wie gewinne ich ein passives Talent für mich?

Passive Talente im Recruiting Prozess wurden entweder empfohlen, kommen aus der telefonischen Direktansprache oder dem Active Sourcing. Sicherlich, das sind alles Menschen, die noch nicht über eine Bewerbung nachgedacht haben und die deshalb auch keine Unterlagen schicken oder Zeit aufwenden möchten, Unterlagen zu aktualisieren. Soweit sind sie zum Zeitpunkt des ersten Kontaktes nicht.
Dennoch ist die Distanz von passiven Talenten zum Recruiter je nach Art der Kontaktaufnahme unterschiedlich:

  • Bei einer Empfehlung gibt es zum Zeitpunkt des Telefon-Interviews bereits einen Vertrauensvorschuss durch den Empfehler
  • und bei der telefonischen Direktansprache gab es zumindest schon einen persönlichen (meistkurzen) Austausch.
  • Beim Active Sourcing ist die Distanz am größten – und eine Verkürzung ist schwer

Die Notwendigkeit einen passiven Kandidaten aus dem Active Sourcing aktiv zu überzeugen und zu gewinnen ist besonders hoch, da die Online-Ansprache durch den Einsatz der Technologie auf beruflicher Ebene eher distanziert bleibt.

Telefon-Interview versus Vorstellungsgespräch

Wer nach “Telefon-Interview Tipps” googelt wird im Wesentlichen Ratschläge finden, die für die Zielgruppe Bewerber gemacht wurden. Mit “Telefon-Interview Tipps für Personaler” dagegen hat sich kaum jemand beschäftigt (hier zum Beispiel). Es scheint so, dass kollektiv sowohl die Praktikerseite der Recruiter wie auch die diagnostische Seite der Wissenschaft davon ausgehen, dass man das Knowhow aus dem Vorstellungsgespräch einfach und erfolgreich in ein Telefon-Interview übertragen kann.

Das ist aber nicht so – auch nicht für Bewerber. Denn da das Telefon ein komplett anderes Medium (als das Face-to-Face-Gespräch) ist und es nur eine limitierte Kommunikation ermöglicht (es fehlt die Körpersprache), ist die direkte Übertragung der Interviewfragen und -Abläufe auf ein Telefonat zuerst einmal personal-diagnostisch kritisch. Ich würde sagen, es ist sogar sehr kritisch und damit unzuverlässig. Und alles was in der Diagnostik nicht reliabel ist, ist nicht zuverlässig und anfällig für Fehler.

Zweitens ist bei Telefon-Interviews besonders bei passiven Talenten die Herausforderung, die Personalgewinnung gleichzeitig mit der Vorauswahl zu meistern. Wenn dem Interviewer die Candidate Experience egal ist, er viel Zeit hat und er nicht vom Fachkräftemangel betroffen ist, dann man darüber hinweg gehen.

Ansonsten ist es Pflicht, ein Telefon-Interview anders als ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten – besonders ist es wichtig den Akquise-Teil und den Vorauswahl-Teil extra zu planen. Do-it-yourself rächt sich schnell mit Verlust des Kandidaten.

Lernen aus der Customer Experience im Telefon Sales 

Erstaunlich, dass so viele Recruiter und Sourcer das Telefoninterview mal “so schnell, do-it-yourself” und aus der “Erfahrung” heraus durchführen und dabei so viele Chancen vergeben. Während die Kollegen im Vertrieb diese Chance sehen und komplett anders mit dem Erstkontakt am Telefon umgehen. Alleine unter “Telefonakquise Tipps” schlägt Google dem Leser eine riesige Menge Blogposts,  Tipps, Tricks, Trainings und Services vor – auch Google Ads traktiert den Suchenden sofort mit Werbung zu “Telefon-Akquise Trainings”.

Das heißt, obwohl es ökonomisch bei einer einfachen Terminvereinbarung mit einem Lead (der noch weit weg vom Kunden ist) um deutlich weniger geht, als bei einer Stellenbesetzung und einem gerade mühselig gewonnen “Talent”, wird bereits bei Ratschlägen für Terminvereinbarungs-Telefonate mehr Erklärungs- und Trainingsbedarf gesehen. Hier wird die Customer Centricity bereits im ersten Kontakt gelebt.

Deshalb sollte sich jeder, der eine gute Candidate Experience schaffen will, vom Fachkräftemangel betroffen ist oder einfach nur professionell arbeiten möchte seine Telefoninterview-Prozesse dort abschauen. Eine “Candidate Centricity” entsteht nicht aus hands-on durchgeführten Telefon-Interviews.

 


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Die 5 Phasen des professionellen Telefon-Interviews mit passiven Talenten

1. Phase: Das Intro im Telefon-Interview

Dazu müssen wir für jedes Telefon-Interview wie im Grunde auch einmal vorbereiten, warum genau dieser Kandidat für unsere offene Stelle so passend ist: Was wissen Sie bereits über seinen Hintergrund, wo er derzeit arbeitet und was er dort macht. Was interessiert diesen Kandidaten oder gibt es zum Beispiel für den Einstieg einen gemeinsamen Kontakt, über den man als Eisbrecher am Anfang des Gespräches sprechen könnte. Denn das Wichtigste ist: Eine Beziehung zu diesem Kandidaten aufzubauen. Eine Beziehung kann man nur aufbauen, wenn man glaubwürdig ist. Doch eine Glaubwürdigkeit ist gerade bei passiven Kandidaten nicht einfach da.

Und jetzt beginnt die Problematik: Wenn Sie einfach eine offene Stelle präsentieren und nur ihre Interviewfragen stellen, nimmt Sie Ihr Kandidat als einen “Verkäufer” war, der egoistisch seine Interessen durchsetzen will. Dies schafft kein Vertrauen und damit auch keine gute Candidate Experience.

2. Phase: Vertrauenswürdigkeit schaffen – Offenheit für ein Gespräch klären

Vertrauenswürdigkeit aus Sicht eines passiven Talentes ist ein ausgewogener Vergleich zwischen dem, was der Kandidat möchte und dem was die offene Stelle zu bieten hat. Dazu müssen Sie zuerst einmal herausfinden, was der Kandidat wirklich möchte, wie er sich seinen beruflichen bzw. Karriereweg vorstellt. Es gilt also das Gespräch so zu starten, dass man mit dem Kandidaten offen, vorurteilsfrei und wertschätzend über dessen Pläne, Erwartungen und Wünsche spricht – unabhängig von der Vakanz.

Doch Vorsicht: Mit Sachfragen der klassischen Interview-Technik kommt in dieser Situation keiner weiter. Völlig ungeeignet sind Fragen wie  “Wo sehen Sie sich in 5 Jahren” oder ” Was ist ihr nächster Karriereschritt?”. Hier besteht eine große Gefahr ungewollt, Fragen so zustellen, dass sie rhetorisch wirken und damit genau das Gegenteil zu erreichen.

3. Phase: Gewinnung im Telefon-Interview

Für passive Kandidaten reichen ein paar vertrauensbildende Sätze nicht. Sie sollten in der dritten Phase besonders vorsichtig sein. Denn wenn Sie jetzt einfach auf “Interview” umschalten, haben Sie den passiven Kandidaten verloren. Denn er wird unweigerlich denken, dass das alles vorher nur ein Smalltalk war, der verschleiern sollte, dass Sie in Wahrheit auf Ihren Einsatz gewartet haben, damit Sie Ihr Interview-Ding durchziehen können. Im schlimmsten Fall hat er dann sogar das Gefühl, dass Sie ihn wie einen D-Zug überfahren.

Ideal ist es in dieser Phase dem Gesprächspartner freizustellen, ob er weiter gehen möchte – eine sehr vertrauensbildende Maßnahmen, da sie zeigt, dass das Telefon-Interview offen geführt wird und kein Druck ausgeführt wird.

4. Phase: Telefon-Interview Informationsaustausch 

Die Überleitung geht dann in die Phase, wo man einerseits mehr Fachliches über den Kandidaten erfahren möchte, aber dem Kandidaten auch die Gelegenheit geben sollte, mehr zu fragen und Antworten geben sollte. Damit dies kompetent läuft, ist es wichtig, beides die eigenen Fragen sowie die Antworten vorbereitet zu haben.

Dies sollte kurz sein und man sollte wissen: Ein Vertiefung ist hier gefährlich, weil sie wieder in die distanzierte Interviewsituation kommen können.

5. Phase: Telefon-Interview Abschluss

Wichtig ist es, das im Abschluss zu sichern und zu vereinbaren, wie es weiter geht. Wenn Sie es geschafft haben, den Kandidaten zu gewinnen, kann der nächste Schritt das Übersenden eines Lebenslaufes sein. Gerade passive Talente haben häufig noch keinen erstellt. Es gibt Personalberater, die hier die Lebensläufe für ihre gesearchten Kandidaten erstellen, weil sie gelernt haben, dass ein großer Teil der passiven Talente durch das Schreiben eines Lebenslaufes abgeschreckt sind. Über ein solches Vorgehen kann man streiten, denn es gibt auch die Meinung, dass ein Lebenslauf einer Arbeitsprobe gleichkommt und somit auch ein Versprechen an den zukünftigen Arbeitgeber sein soll, in  das sich der Recruiter nicht einmischen sollte.

Tatsache ist, dass Sie im Grunde Sie ohne den Lebenslauf nicht genau wissen, ob das, was der Kandidaten gesagt hat auch wirklich wahr ist. Da gerade im Internet die Wahrheit immer mehr in die Übertreibung und in die Lüge übergeht, ist meine persönliche Empfehlung darin besser zu werden, den Kandidaten in diesem Telefon-Interview so zu überzeugen und zu gewinnen

Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck

Wann immer man Recruiter fragt, was die schwierigste Phase in der Personalgewinnung heute ist, antwortet die Mehrheit, es ist die Interview-Phase. Das heißt, bereits für heutige Bewerber ist es hochkritisch, die Kandidaten im Interviewprozess zu halten. Bei passiven Kandidaten ist somit in dieser Phase die Gefahr des Verlustes ungleich höher und erfordert den besonderen Augenmerk des Recruiters oder Sourcers.

Zusammenfassung:

Auch der Vertrieb weiß es und achtet darauf: Bereits in den ersten Worten am Telefon legt jeder den Grundstein für eine weitere Kundenbeziehung. So ist das auch in einem Telefon-Interview mit passiven Kandidaten . Hier können Sie sich nicht wie bei Bewerbern auf ein gutes Employer Branding zurückzuziehen, das reicht nicht. Erstaunlich eigentlich, dass in Human Resources gerade diesen ersten entscheidenden Telefon-Kontakt so wenige systematisch angehen und anstatt einfach mal so anrufen und “experimentieren”. Deshalb empfehle ich jedem Recruiter und jedem Active Sourcer auch immer an seiner Telefon-Interview Kompetenz zu arbeiten.

 

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