Weil das Googlen so einfach ist, denken viele, dass ein Sourcing Projekt auch einfach zur Stellenbesetzung führt. “Einfach” wird hier nur zu oft mit: schnell, wenig Aufwand, kosten- und zeitsparend gleichgesetzt – und dabei verwechselt. Denn leider ist nichts in der Digitalisierung linear oder gar einfach. Alles Digitalisierte wird komplizierter, meist sogar komplex und oft disruptiv. Aus diesem Grund ist gutes, erfolgreiches Sourcing heute zeitintensiv. Anhand von Modellen will ich in diesem Blogpost Hilfestellungen geben, wie man den Zeitaufwand für Sourcing Projekte realistisch planen kann.
Inhaltsverzeichnis
- “Source mir mal schnell … Kandidaten!” – Unrealistischer Blödsinn?!
- Eile mit Weile gilt auch bei Sourcing Effizienz
- Wie sieht der Sourcing Projekt Workflow aus?
- Der effiziente Ablauf eines Sourcing Projekts
- Die Basis: Der Candidate Sourcing Funnel Calculator by Glen Cathey
- Der Unterschied zwischen einem schweren und einfachen Sourcing Projekt
- Der Candidate Sourcing Funnel für eine Stellenbesetzung
- Der Candidate Sourcing Funnel für ein Tech Sourcing Projekt / 10 Besetzungen
- Der Weg aus der Zeit- und Aufwandsfalle: Effizienz und “Talentflüstern”
- Fazit:
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“Source mir mal schnell … Kandidaten!” – Unrealistischer Blödsinn?!
Profi-Sourcer bauen sich einen Talent Pool auf – das ist für das Sourcing in Corporates und bei spezialisierten Personalberatungen und Personaldienstleistern ein wichtiges Ziel. Wenn man sich dann zusätzlich auch eine ausgezeichnete Sourcing Bibliothek erstellt, mit der man extrem effizient Talente finden und gewinnen kann (hier mehr: Ihre persönliche Active Sourcing Bibliothek: Wozu ist sie gut?) ist es tatsächlich möglich, daß es geht, das “source mir mal schnell …” – und es geht sogar mit Fun.
Aber für alle anderen gilt: Sourcing ist systematische Arbeit und ein effizienter Prozess, der neben einem Sourcer Mindset, dem entsprechenden Knowhow, den richtigen (guten) Tools auch viel Zeit und Engagement fordert. Besonders gilt das, wenn man mit dem Ehrgeiz eine Stelle zu besetzen antritt. Effizient zu sourcen kann man lernen, wenn man das System verstanden hat. Aber man muss komplett umdenken und die Arbeitsweise aller erfolgreichen Sourcer übernehmen – und die besonders eines: Extrem systematisch-logisch. Mit ein paar Hacks, Booleschen Befehlen in Strings und Wundertools ist das nicht getan. Es sei denn man ist mit dem zufälligen Finden von ein paar ähnlichen Profilen zufrieden.
Eile mit Weile gilt auch bei Sourcing Effizienz
Wenn man nur die Keywords einer Anzeige nimmt (sie wurde nur für aktive Bewerber gemacht und nicht für passive Talente) und nach ausgefüllten Profilen sucht, limitiert man sich auch im Sourcing auf die kleine Gruppe der aktiven Jobsuchenden. Der Erfolg eines Sourcing Projektes hängt maßgeblich davon ab, dass der Sourcer auch seine Zielgruppe der passiven Talente versteht. Nur so kann er sie finden, sie identifizieren und sie – aus Sicht der Talente – wertschätzend gewinnen. Und das Gewinnen hört im Fall der passiven Talente auch im nachfolgenden Interview nicht auf. Meist sind die gesourcten Gesprächspartner beim ersten Interview noch lange keine Bewerber, sondern nur Interessenten (hier mehr: No Shortcut zum Sourcing Erfolg: Warum werden so wenig Stellen durch Sourcing besetzt?).
Also geht das Finden nicht schnell, aber auch der Recruiting Prozess mit der Interviewphase und das Onboarding danach auch nicht – denn es handelt sich nicht um Bewerber, sondern um passive Talente!
Wie sieht der Sourcing Projekt Workflow aus?
Für Recruiter und im telefonischen Direct Research der Personalberatungen ist die Intuition wichtig. Oder besser: das A und O ist für sie, schnell zu erkennen, wer passt, um einen guten Personalauswahlprozess zu führen. Gute Interviews ohne Intuition sind aus meiner Sicht nicht vorstellbar.
Doch im Sourcing ist das umgekehrt: Die “Künstliche Intelligenz bedeutet das Ende des Bauchgefühls” wie Sven Gabor Janzsky meint (hier auf LinkedIn). Bezogen auf das Sourcing heißt dies: Wer seine erfolgreiches Recruitingdenken im Sourcing einsetzt, schafft sich Probleme. Im Grunde spielt und experimentiert man so nur, weil man Suchanfragen nur intuitiv stellt, sich ausschließlich auf Hacks konzentriert und nicht mit System die ohnehin komplexen algorithmischen Tools gezielt steuert. Folglich wird man immer nur zufällig gute Talente finden. Hacks zur Lösung von Problemen sind auch im Sourcing absolut wichtig, aber effizientes Active Sourcing geht nur mit System.
Mehr zum effizienten Sourcing Workflow und erfolgreichen Sourcing System lernen Sie in unseren Active Sourcing Trainings der Intercessio Academy hier
Der effiziente Ablauf eines Sourcing Projekts
Sourcing ist – technisch gesprochen – das “Umprogrammieren von Algorithmen“: Man “sagt” einer Suchmaschine, was sie wie finden soll. Da sie das aber nicht linear macht, muss man lernen, wie man diese Anweisungen in welcher Reihenfolge geben muss. Es ist ähnlich wie ein Software Programm – also muss sich der Workflow eines effizienten und professionellen Sourcers auch an dem eines Programmierers orientieren:
- Vorbereitung und Tests
- Finden
- Identifizieren
- Kontaktieren
- Kommunikation/Gewinnen
und dann beginnt das Recruiting:
- Telefoninterview
- Vorauswahl/Prescreen
- Interview
- Vertragsverhandlung
- On-Boarding
Die Basis: Der Candidate Sourcing Funnel Calculator by Glen Cathey
In seinem Blogpost “Sourcing & Recruiting Candidate Funnel & Output Calculators“ hat die Sourcing Legende Glen Cathey bereits vor über 3 Jahren das geniale System des Candidate Funnel Calculators vorgestellt. Dieses könne Sie dort auch als Excel Sheet downloaden. Es ermöglicht Ihnen eine Rückwärtsrechnung, wie viele Personen Sie finden und gewinnen müssen, um eine Stelle zu besetzen. Hierbei setzt er unterschiedliche Prämissen, die Sie abändern können. Wichtig um dies rechnen zu können, ist, dass man seine KPIs oder die durchschnittlichen Kennzahlen kennt.
Wir haben dieses Model übernommen und weitergerechnet – um aus dem Schwierigkeitsgrad eines Sourcing Projektes und den unterschiedlichen KPIs wie Antwortsraten den durchschnittlichen Zeitaufwand für ein Sourcing Projekt mit unterschiedlichem Schweregrad bis zur Stellenbesetzung zu berechnen.
Der Unterschied zwischen einem schweren und einfachen Sourcing Projekt
Sie finden nachfolgend eine Aufstellung der durchschnittlichen Verhältniszahlen, welche Zeit ein Sourcer pro Talent aufbringt – gerechnet anhand der Stunden, die er braucht, um eine bestimmte Zahl Talente nicht nur zu finden, sondern auch anzusprechen. Projekt haben wir in drei Kategorien eingestuft:
- IDEALES Sourcing Projekt ( alles bis 10 Minuten pro Talent – Finden, Identifizieren inklusive Ansprache)
- NORMALES Sourcing Projekt (alles mehr als 10 bis 30 Minuten pro Talent -Finden, Identifizieren inklusive Ansprache)
- SCHWERES Sourcing Projekt (alles mehr als 30 Minuten pro Talent – Finden, Identifizieren inklusive Ansprache)
Man muss hier ergänzen, dass dies natürich alles Durchschnittwerte ist. Das Finden zum Beispiel in spezialisierten Portalen mit besonderen Tools wie in Stackoverflow mit Stackoverflow Talent geht natürlich schneller, als eine einfache Suche in LinkedIn via Freemium Account. Es ist aber dennoch sehr selten und als ideal einzustufen, dass eine Sourcer pro Talent inklusive einer wertschätzenden Ansprache nur 6 Minuten braucht.
Und noch ein Tipp für alle nicht spezialisierten Personalberater und -Dienstleister (und natürlich diejenigen, die sie beauftragen): Bitte beachten Sie, wenn Sie die Branche und/oder den Job, um den es im Sourcing Projekt geht, noch nicht gesourct haben und sie auf keinen Talent Pool zurückgreifen können, dass sie mindestens 2-5 Stunden mehr in Vorbereitung, Ablauf und Durchführung rechnen müssen. Denn meistens, wie bei uns auch, erhalten wir als Sourcing-Service Anbieter die schwereren Aufträge und nicht die leichten. Die wahrscheinliche Version ist somit die schwere mit 30 Minuten pro Talent im Durchschnitt – plus eventuell andere Erschwernisse.
Der Candidate Sourcing Funnel für eine Stellenbesetzung
Die Antwortsrate bzw. die positive Version davon, die “Gutquote” der Antworten ist genauso entscheidend für Ihren Zeitaufwand, wie die Schwere eines Projektes. Nachfolgend haben wir in den ersten 3 Projekten die typisierten Verlaufsformen von Glen Cathey übernommen und jeweils um den Zeitaufwand ergänzt. Es wird die Antwortsrate von durchschnittlichen 25 % (derzeit eine Art Faustformel weltweit) zugrunde gelegt, aber der Schweregrad und damit der Zeitaufwand geändert (Punkt 1, 2, 3). In der Projektrechnung 4 sieht man daß eine Verdoppelung der Antwortsrate auf 50% bei durchschnittlichem Schweregrad (siehe Punkt 4) die notwendigen Ansprachen halbieren (nur noch 33 statt 67). Aber: Bei einem Sinken der Antwortrate auf 10 % explodiert die Zahl der notwendigen Talente – man muss 100 mehr ansprechen, um zur Stellenbesetzung kommen.
Es ist also eindeutig: Persönliche Kommunikation mit Talenten ist ein entscheidender Zeit- und Effizienzfaktor und damit eine Erfolgsvoraussetzung im Active Sourcing.
Daraus leitet sich auch folgende Faustregel ab:
ein normales ganzheitliches Sourcing Projekt
braucht bis zur Stellenbesetzung ca. 35-45 Stunden
ein komplizierteres ganzheitliches Sourcing Projekt
braucht bis zur Stellenbesetzung ca. 45-60 Stunden
ein schweres ganzheitliches Sourcing Projekt
braucht bis zur Stellenbesetzung ca. 60-80 Stunden
Sie können sich selbst eine Grenze setzen, ab wann ein Sourcing Projekt unternehmerisch zu scheitern beginnt oder gescheitert ist. Meiner Erfahrung nach ist es so, dass wenn Sie über 100 Kandidaten angesprochen und dazu über 80 Stunden einsetzt und nicht mal 3 Personen zum Interview gewonnen haben, geht die Ampel spätestens auf gelb: Da stimmt etwas in diesem Sourcing Projekt nicht.
Der Candidate Sourcing Funnel für ein Tech Sourcing Projekt / 10 Besetzungen
Nun wollen wir in unserem Theorem, wie es auch Glen Cathey getan hat, die Prämissen verkomplizieren: Mehr Positionen und das im Tech-Bereich. Im Tech-Sourcing und Recruiting gibt es die große Besonderheit, dass es besonders schwer ist, die gesourcten Kandidaten richtig zu qualifizieren. Meist ist dies erst in nachfolgenden Recruiting / Prescreen Prozess möglich. Also durch Arbeitsproben, Hackathons, Probearbeitstage, Tests, Testfragen – in jedem Fall kostet das viel Zeit. Auch verhalten sich passive Techies nochmals anders als Tech-Bewerber oder andere passive Talente. Ein Tech-Sourcer steht also vor besonderen zusätzlichen Herausforderungen in einem solchen Sourcing Projekt – und ist damit nicht allein, denn dank der Digitalisierung explodiert die Nachfrage in diesem Teil des Fachkräftemarktes. So sind Sourcing Projekte mit mehreren, auch 10 Vakanzen derselben Funktion keine Seltenheit.
Wenn man einfach die Zahlen (von den vorigen Projekten oben) für gleich 10 Funktionen durchrechnet, dann kommt man schnell in Personenzahlen, die auch schmerzfreien Kontaktern Schnappatmung und Herzrasen verursachen. Denn wir müssen zusätzlich bedenken, wie ähnlich viele Sourcer suchen, die meisten kennen nur 2-3 Sourcing Methoden und beschränken sich auf die 3 wesentlichen Portale wie XING, LinkedIn und StackoverFlow. So finden sie gemeinschaftlich dort auch die gleichen Talente! Diese sprechen viele auch noch gleich bzw. ähnlich an (“tolle Herausforderung in teamorientierter Umgebung bei flachen Hierarchien …”). Der schwere Projektverlauf mit einer geringen Antwortrate ist also wahrscheinlich. Über 2222 Ansprachen mit 2000 die nie antworten sind keine motivierende Aussicht. Da scheint es doch wirklich besser und effizienter zu sein, durch kluge, individuelle Kontaktaufnahme die Zahl der Kontaktierten zu halbieren und die Antwortrate zu steigern wie im Modell 4, nicht wahr?
Der Weg aus der Zeit- und Aufwandsfalle: Effizienz und “Talentflüstern”
Dann kann man auch ohne jede Empathie und Vorstellungskraft schnell feststellen, dass in diesem Tech Sourcing Modell sowohl eine Antwortsquote von 25% sehr unwahrscheinlich ist als auch eine Steigerung auf 2000 passende Kandidaten ziemlich unrealistisch . Hier nur neue neue Sourcing-Methoden in neuen Sources (zur Erinnerung, es gibt 21 Active Sourcing Methoden – Die 9 wichtigsten Active Sourcing Methoden – kurz erklärt – mit Infographic ) – und damit wird die Zeit steigen. Zwar kosten neue Wege am Anfang mehr Zeit, aber man findet neue, andere talentierte User, die wahrscheinlich seltener bis gar nicht angesprochen wurden. Es macht also mehr als Sinn das Problem zu lösen, indem man das Engagement aufbringt, die Zielgruppe auch außerhalbe der Mainstream Suchen zu gewinnen. Je systematischer man das macht, um so schneller steigt auch die positive Antwortquote und damit die Chancen auf Besetzung.
Fazit:
Wie fast alles im Leben gilt auch im Sourcing: Wer gute und passende Talente finden und auf Augenhöhe gewinnen , und ernsthaft seine Stellen besetzen will, muss auch viel investieren: Zeit, Engagement, Knowhow. Auch in der Disziplin Sourcing ist es so: Die Kosten für die besten Tools und Plattformen muss jeder mitrechnen. Beziehungsweise je weniger man Kosten für Tools und Plattformen investieren möchte, umso mehr Zeit muss man anstatt in die Suche und sein Knowhow stecken. Teilweise spart man hier nichts, wenn man auf Tools verzichtet, das sollte sich jeder einmal durchrechnen! Und besonders wichtig ist dabei, man darf im Lernen nie stehen bleiben, denn Sourcing ist eine digitale und agile Kompetenz und nicht lineares, proaktives Recruiting. Also bleibt nichts stehen und man sollte auch diese Zeit miteinrechnen und sein Knowhow up-to-date halten.
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