Dass ein Recruiter Emotionale Intelligenz braucht, ist für die meisten selbstverständlich. Oder formulieren wir es besser: Für diejenigen selbstverständlich, für die wertschätzendes Recruiting wichtig ist. Je mehr wir allerdings darüber nachdenken, ob eines Tages Roboter Recruiter ersetzen können, um so mehr stellt sich an diesem Punkt die Frage: Können Roboter auch Emotionen erkennen, berechnen und darauf passend reagieren? Es wird alles an diesen Funktionen entschieden, ob programmierte Roboter, also Algorithmen, sogar menschliche bzw. ‘humane’ Aufgabenabläufe übernehmen können.

Massen-Emotionen durch Digitalisierung?

Alles fängt also mit dem ersten Schritt, dem Verstehen der Emotionswelt anderer an: Der Emotionalen Intelligenz. Es ist dabei ein zentraler Unterschied, ob es die Emotionswelt und dann eine Verhaltens- und Entscheidungs-Vorhersage für eine Gruppe, sogar einer sehr großen Gruppe (Masse) oder einer einzelne Persönlichkeit betrifft. Wenn wir Menschen einzelne Dinge und Zusammenhänge nicht verstehen, dann versuchen wir es über Trends einzukreisen und zu clustern.

Das Phänomen Gen Y ist so ein Trend, der nicht selten bei genauer Hinsicht nicht hilfreich ist, ein Individuum zu verstehen, aber notwendig, um eine Richtungsänderung festzustellen. Die Digitalisierung wird begleitet von einer großen Zahl neuer Trends, die eine extreme Individualisierung nicht nur ermöglicht, sondern auch vorantreibt. Ob es  Kommunikationsmittel sind oder auch der Wunsch der einzelnen, diese so zu nützen, dass sie selbst in der Masse nicht untergehen (‘Stand-out-the-Crowd’)  und sich sogar als ‘Held’ fühlen.

Candidate Experience und Emotionale Intelligenz

Die Diskussion um die Candidate Experience ist ein wichtiger Weg, kollektiv zu verstehen, wie die Digitalisierung das Verhalten von Kandidaten verändert und die ‘Parameter’ des Digital Changes mit der Realen Welt zusammen wirken. Ist also ein Recruiter, der sich an der Diskussion um die Candidate Experience beteiligt bereits ’emotional intelligent’, weil er/sie sich Gedanken macht, wie seine Talente denken, fühlen und demzufolge handeln? Eine schwierige Frage, die aufgrund des komplexen Konstrukts Emotionale Intelligenz nicht mit klarem ‘JA’ oder ‘Nein’ beantwortet werden kann.

Denn bei einigen Unternehmen geht soviel schief im Recruiting und ist der Recruiting-Workflow so enthumanisiert und ein reiner Verwaltungsprozess, dass man das Gefühl haben kann: Roboter könnten das genauso gut. Deshalb ist dort jedes Beschäftigen mit der Candidate Experience bereits in gewisser Weise ’emotional intelligent’.

Geht Recruiting emotionsfrei?

Die Antwort darauf ist nicht nur eine Werteargumentation, denn dazu muss man eine ganze Gefühle- und Motiv-Kette von Individuen oder Gruppen erkennen und prediktiv vorhersagen können. Können wir Menschen für Unternehmen und Jobs, also auch eine einzelne Person für eine bestimmte Stelle wirklich gewinnen, in dem wir nicht nur ihre Emotionen sondern auch noch ihre Reaktion und danach ihre Entscheidung und das folgende Verhalten ‘nüchtern’ berechnen und gezielt systematisch manipulieren?

Denn wären wir in der Lage, diese Kette zu verstehen und zu steuern:

AKTION | HANDLUNG :||

–> vielleicht = EMOTION + MOTIVATION :||

–> vielleicht = IMPULS (im Menschen) + Überlegen :||

–> vielleicht = ENTSCHEIDUNG (im Menschen) + Handlungsimpuls :||

–> vielleicht = VERHALTEN (extern) :||(vielleicht sichtbar oder/und meßbar)

(Das Zeichen :|| stammt aus der Musik und heißt dacapo = Wiederholung)

Wie erkenne ich Emotionen?

Gefühle sind also nicht automatisch Verhaltensweisen – das weiß jeder. Eigentlich. Aber zwischen Wissen und Handlungsroutine liegt in der Realität eine ganz breite Kluft. Denn interessanterweise wird häufig diese Kausalkette völlig ausgeblendet und eine Planung von Recruitingaktionen nur auf das Ergebnis ‘Bewerbung’ fokusiert.  Typisches Beispiel: Karriere-Websites haben nicht selten nur den ‘Hier Bewerben’ Button – obwohl die zuständigen Personaler genau wissen, dass nur ein kleiner Teil der Leser wirklich zum Bewerber werden.

Dabei zeigt der Leser Ihrer Karriereseite bereits Interesse für Ihr Unternehmen – im heutigen ‘War for Talents’ eine große Chance, die Sie wahren sollten. Dies könnten Sie in Form eines Buttons ‘Visitenkarte abgeben’ oder ‘hier klicken für Fragen’  machen und Ihrem Talent so entgegen kommen. Gefühle muss man erkennen wollen und sich auf die aktive Suche nach diesen Gefühlen Ihrer Talente begeben. Und danach auch das eigene Handeln und die eigene Routine verändern, die dem entgegen steht, was man erreichen möchte: Eine Position mit dem besten Talent besetzen.

Was ist Emotionale Intelligenz?

Die Emotionale Intelligence (EI) ist die Fähigkeit die eigenen Emotionen, die von anderen und von Gruppen zu identifizieren, einzuschätzen und zu kontrollieren. Emotions Management Fähigkeiten sind die sehr wichtige Voraussetzung für die Emotionale Intelligenz. Dies ist nur möglich, wenn man in der Lage ist, eigene Gefühle und die Gefühle anderer zu regeln, aber auch darauf ‘passend’ zu reagieren und zu antworten. 

Berechnung von Emotionen

Und hier kommt der am schwierigsten zu messende Teil der Emotionalen Intelligenz: Was passend ist, entscheidet der Adressat durch seine Reaktion. Emotionale Intelligenz ist abhängig von der Resonanz und Interaktion und kann (fast nur) an Verhaltensweisen gemessen werden. Diese Verhaltensweisen sind niemals monokausal – und auch nicht ‘objektiv’. Ein Beispiel im Recruiting ist das Klicken von Like Button von Karrierepages auf Facebook: Ist das Klicken eines Buttons überhaupt eine emotionale A

ussage oder heute online einfach freundliche Routine oder gar eine berechnendes Selbstmarketing, um wahrgenommen zu werden? Eine weitere kritische Frage der Messbarkeit ist, dass Reaktionen nicht unbedingt im direkten zeitlichen Zusammenhang erfolgen – also die Kette der Zuordnung ebenso kaum objektiv festgestellt werden kann.

Infographic zur Emotionalen Intelligenz

Infographic - Emotionale Intelligenz - wichtig für erfolgreiche Recruiter

Quelle: Visualistan.com (Klicken auf Infographic)

 

Emotionale Intelligenz ist nicht nur etwas für Gutmenschen

Sie erleben es ständig und es ist bezeichnend für unsere Zeit: Der Digitale Change ist alles, nur nicht mehr linear. Deshalb benützen viele das Adjektiv disruptiv, weil es nicht mehr möglich ist, mit bisherigen Erfahrungen zuverlässig linear abgeleitete Entscheidungen zu treffen oder Handlungsalternativen zu erarbeiten. Auch für das Recruiting bedeutet das:

Bei allen Gruppentrends und der Notwendigkeit besonders in den unendlichen Weiten des World Wide Webs sowie der sich ständig verändernden realen Welt gezielte Maßnahmen durchzuführen und nicht zu streuen, ist es heute zwingend notwendig, den Adressaten zu verstehen UND mit ihm in Interaktion zu treten.

Konkrete, erfolgreiche Social Media Personalmarketing Kampagnen zu planen, geht also nur noch, wenn man aktuell und zeitgenau das Medium versteht, sondern auch seine Zielgruppe UND parallel diejeweiligen Individuen, die dieser Zielgruppe angehören sowie diese Maßnahme ÜBERPRÜFT, um zu erfahren, wie die TATSÄCHLICHE Reaktion ist. Da zur Emotionalen Intelligenz auch die Reaktion gehört, kann ein zuverlässige Entscheidung nur getroffen werden, wenn diese zeitaktuelle Reaktionen einbezogen werden.

Fazit:

Um zielorientierte Recruitingmaßnahmen durchzuführen, muss man sich den aktuellen Veränderungen stellen. Sie müssen IHRE Talente heute zu verstehen versuchen – sie sind sehr wahrscheinlich anders als anderen Talente. Dies ist keine reine Effizienz-Frage und keine sinnfreie Gefühlsduselei. Dies ist eine HR Management Aufgabe, denn ohne Emotionale Intelligenz wird es schwer, den Digital Change zu meistern und professionelle Entscheidungen zu treffen, um von Ihren Talente wahrgenommen zu werden, oder sie zu überzeugen bzw. sie zu akquirieren.

Reine Technikverliebtheit oder gar Technikgläubigkeit funktioniert auch und gerade in Zeiten des Social Webs nicht, denn der Mensch funktioniert nicht nach Algorithmen und immer berechenbar. Ein schönes Beispiel: Was nützt Ihnen die beste mobile Job-App, wenn der Trend einsetzt, dass keiner Jobapps downloaded? Emotionale Intelligenz ist die zweite Säule guter Talent Acquisition 2.0 und des erfolgreichen Recruiting 2.0. Es geht nicht ohne.

Happy Recruiting!

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    Author

    • Sie ist pragmatische Talentfinderin, Expertin im ‚Finden‘ talentierter Mitarbeiter, Social Recruiting Coach, Master-Sourcerin, Trainerin und Autorin des Besteller-Kompendiums “Praxiswissen Talent Sourcing” sowie Co-Autorin des Bestellerbuches ‘Praxishandbuch Social Media Recruiting’. Nach einem BWL-Studium in Deutschland und Großbritannien, langjähriger Erfahrung als Personalmanagerin in renommierten Qualitätsunternehmen der Industrie und als Partnerin bei Top-10-Personalberatungen gründete sie 2005 die Intercessio GmbH. Ihr Motto: In Dir muss brennen, was Du in anderen entfachen willst – Augustinus

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