Eine Stellenanzeige ist ein Versprechen: Stellen Sie sich vor, Sie sind Kandidat und Sie finden eine spannende Stellenanzeige, bei der Ihr Kopfkino das Bild des Traumjobs abspielt mit einem Bild des Traumarbeitgebers. Dann haben Sie Ihr Vorstellungsgespräch und auch da wird Ihnen erzählt, wie spannend die Projekte sind, die anstehen und welche Weiterbildungsmaßnahmen Sie erwarten, auch Ihre Karrierechancen sind rosig. Schon am ersten Arbeitstag stellen Sie fest: Die besprochenen Projekte gibt es nicht und wird es nie geben und ihre neuen Kollegen lächeln mitleidig bei der Frage nach Entwicklung und Weiterbildung.
Inhaltsverzeichnis
- Eine getunte Stellenanzeige ist genauso schlecht wie eine Gruselausschreibung
- Eine schlechte Stellenanzeige schlägt Bewerber in die Flucht!
- Wann ist eine gute Stellenanzeige gutes Personalmarketing?
- 1. Wo geht’s bitte lang zum Fachbereich?
- 2. Major Tom Erwartungen: Völlig schwerelos im Paralleluniversum Personalwesen
- 3. Fachbegriffs-Kauderwelsch in der Stellenanzeige
- 4. Hoppela, da hat mein Mitarbeiter einen Fehler bei der Stellenanzeige gemacht
- 5. Wenn eine Spam – und Konserven- Stellenanzeige zu nerven anfängt
- 6. Weichgespültes “Warm-ums-Herz-Personalmarketing”
- 7. ‘Keine Zeit’ heißt: Ich will nicht!
- 8. Selbsterfüllende Prophezeihung: Da meldet sich doch sowieso keiner auf meine Stellenanzeige …
- Fazit mit ein bißchen schwarzen Humor: #worldstoughestjob
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Eine getunte Stellenanzeige ist genauso schlecht wie eine Gruselausschreibung
Jetzt können Sie sagen: Ein Profi weiß, dass es eine Marketing-Welt und eine Realität gibt, die Differenz gehört zum Leben. Dort, wo Unternehmen sich aus großen Bewerberzahlen die Besten aussuchen können, mag das keine so große Rolle spielen. Aber schnell wird aus einem Kandidat mit künstlich positiver Candidate Experience ein frustrierter Mitarbeiter, der nicht die Leistung bringt. Im nachhaltigen Recruiting ist ein Recruiter erst dann erfolgreich, wenn der neueingestellte Mitarbeiter ‘einschlägt’, also seine Ziele erreicht. Und dazu gehört auch, dass dieser neue Mitarbeiter sich wohlfühlt.
Eine schlechte Stellenanzeige schlägt Bewerber in die Flucht!
Des Ergebnis einer schlechten Stellenanzeige ist, dass Sie erst gar keine Bewerbungen erhalten. Bei der großen Zahl der Stellenangebote klicken deutsche Kandidaten eher weg. In USA wird dann schon offene Kritik geäußert, wie sie schlechte Stellenbeschreibungen empfinden:
I had a corporate recruiter tell me “every job posting is exaggerated and every resume is embelished” so if u ain’t lying u aintr trying
— Mike love the kids (@ImMikeLowery) 11. Juli 2011
Wann ist eine gute Stellenanzeige gutes Personalmarketing?
Gutes Personalmarketing findet eine Balance zwischen Wahrheit und Werbung. Diesen Ausgleich können Sie weder einer Werbeagentur überlassen, noch dem Fachbereich – das ist eine Kernkompetenz des Recruitings. Wir haben Ihnen sieben Szenarien zusammengestellt, was Kandidaten denken könnten, wenn Sie Ihre Stellenanzeige lesen und dies mit der Wahrheit vergleichen:
1. Wo geht’s bitte lang zum Fachbereich?
Wilde Aufzählungen und Wiederholungen allermöglichen Skills, Fähigkeiten, Erwartungen und ein fröhliches Durcheinander der Fachbegriffe: Besonders im IT-Bereich sind diese Stellenanzeigen an der Tagesordnung. Die nette Interpretation eines Lesers dieser Anzeigen-Versionen ist: Dieser Recruiter weiß nicht, was gesucht wird. Allerdings besteht die Gefahr des Verallgemeinerns und das könnte auch so interpretiert werden: Der Recruiter hat weder Ahnung noch Wissen.
Man kann jetzt darüber diskutieren, ob der Fachbereich hier hätte helfen müssen/sollen/dürfen/können. Aber während Sie diskutieren, vergessen Sie nicht: Der Leidtragende ist der Bewerber, der sich im schlimmsten Fall in die Irre geführt fühlt. Und in genau diesem Worst Case Szenario sprechen wir nicht mehr nur über eine schlechte Candidate Experience, sondern über ganz schlechtes Karma für Ihr Reputationsmanagement. Die Lösung ist eine stärkere Einbindung der Fachbereiche, um auch die Sprache der möglichen Kandidaten zu verstehen und das direkte Feedback von Mitarbeitern. Sonst endet das so:
2. Major Tom Erwartungen: Völlig schwerelos im Paralleluniversum Personalwesen
Man sollte es nicht denken, aber der Super-Hero Kandidat wird immer noch gesucht. Und das kommt dann nicht selten in der Stellenausschreibung zum Ausdruck. Es wird alles aufgezählt, was der Idealkandidat mitbringen soll – also die Wunschliste des blaukarierten Maiglöckchens mit gelben Sternchen. Und wie realistisch sind diese Erwartungen und wo ist die Grenze zwischen maßloser Übertreibung und Lüge überschritten? Hier ein Beispiel:
3. Fachbegriffs-Kauderwelsch in der Stellenanzeige
Worte und Sprache entstammen Gedankenwelten und wenn man intensiv in seiner Gedankenwelt lebt und wirkt, ist es nur natürlich, dass zur leichteren Kommunikation unter Fachkollegen Fachbegriffe entstehen: Ein Begriff ersetzt dann für einen Insider lange Erklärungen. Je öfter dies passiert, um so eher entsteht sogar eine eigene Sprache. Human Resources ist als Fachbereich keine Ausnahme. Nur mit der fatalen Wirkung nach außen: Es versteht uns kaum einer mehr, wenn wir in unserer Gedankenwelt bleiben, aber für externe formulieren.
Und da keiner nachfragt oder sich ‘outen’ möchte, dass er seinen eigenen Job nicht verstanden hat, öffnet sich mit Kauderwelsch Tür und Tor für Interpretation und das Kopfkino. Entweder bewirbt sich ein Kandidat erst gar nicht oder er unterschreibt sogar mit völlig falschen Vorstellungen. Die Gefahr besteht sogar, dass man im Bullshit-Fachwort Bingo endet (hier ein Artikel erschienen in Karrierebibel):
Stellenanzeigen-Bingo: Wer glaubt den Bullshit noch?
4. Hoppela, da hat mein Mitarbeiter einen Fehler bei der Stellenanzeige gemacht
Multitasking ist schön und gut, aber wahrscheinlich denken Sie, dass Sie nicht jede Anzeige umformulieren können, denn dazu fehlt einfach die Zeit, Copy und Paste Marketing ist die Folge. Oder Ihre Marketing Abteilung hat Ihnen genau vorgegeben, was Sie wo einsetzen sollen also delegieren Sie die Aufgabe der Formulierung der Stellenanzeige an einen Mitarbeiter.
Denken Sie daran: Wenn kein Kandidat sich bewirbt, dann haben Sie eventuell durch diese fehlerhafte Delegation den Fachkräftemangel selbst geschaffen. Und letztlich ist es nicht nur Ihre Reputation die Schaden nimmt, sondern die Ihres Arbeitgebers mit.
Im englischen Sprachraum hat sich auf Twitter der Hashtag #LOLRecruiters etabliert. Öffentlicher geht’s kaum:
WTF is “C-iOS”? #LOLRecruiters pic.twitter.com/IuWHYj6og7
— Ellen Shapiro (@designatednerd) 13. August 2014
oder absolut jenseits von Gut und Böse diese Stellenbeschreibung (für Non-Tech-Recruiter: vor 5 Jahren gab es diese Funktion noch nicht)
“Minimum 5 years of experience in a design/architect role scaling multi-petabyte Hadoop clusters” #LOLRecruiters
— Gwen (Chen) Shapira (@gwenshap) 19. Mai 2014
5. Wenn eine Spam – und Konserven- Stellenanzeige zu nerven anfängt
Während Copy und Paste-Marketing einfach häßlich ist, ist die Frequenzsteigerung von unschönen Anzeigen eine wahre Selbstsabotage. Besonders schlechte Beispiele fallen Menschen auf und wenn sie ein unschöne Anzeige, immer wieder schalten, dann potenzieren Sie aktiv die Gefahr, dass sogar nicht nur diese eine, sondern alle Ihre Ausschreibungen als Spam wahrgenommen werden. Einen solchen Teufelskreis dann noch zu durchbrechen, ist nicht einfach – so hat bereits Ihre Arbeitgebermarke Schaden genommen. Lautes, schlechtes Personalmarketing ist also maximal schädlich.
6. Weichgespültes “Warm-ums-Herz-Personalmarketing”
HR-Text-Bla-Bla wie: Wir suchen den “kommunikativen Teamplayer” oder “ein leistungsgerechtes Entgelt erwartet Sie” ist genauso schädlich wie die jetzt immer mehr erscheinende, nicht authentische Aufzählung von sozialen Vorteilen wie: “bei uns wird Freitagnachmittag immer Tischfussball gespielt”. Vergessen Sie nicht: Im Grunde suchen Bewerber nur einen Job und zu viel Ersatzfamilie gefällt besonders den wirklich leistungsorientierten Bewerbern gar nicht. Sie suchen die Balance zwischen Kollaboration und persönlicher Weiterentwicklung.
Machen Sie sich also klar, welchen neuen Mitarbeiter Ihr Fachbereich sucht und seien Sie vorsichtig mit den überpointierten, viel zu früh platzierten Bindungsversuchen. Recruiting ist wie Flirten: Wenn Sie zum Beispiel bei einem Date alle Vorzügen Ihrer Küchengeräte loben, dann platzen Sie faktisch mit der Tür ins Haus.
7. ‘Keine Zeit’ heißt: Ich will nicht!
Sicherlich ist das Recruiting eine nicht unerheblich fremdbestimmte Aufgabe. Aber können Sie sich erinnern, dass Ihnen Ihre Mutter gesagt hat: “Vorbeugen ist besser als ein Nachsehen”? Wenn Sie nicht aufpassen, werden Sie bei einer zu vagen Anzeige mit Tonnen an Lebensläufen unqualifizierter Kandidaten bestraft. Also macht es auch Sinn, ehrlich klar zu stellen, wen Sie suchen, um nicht falsche Hoffnungen zu machen. Und nebenbei bemerkt – es ist viel Wahres an diesem Sprichwort: “Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, Gründe”! Keine Zeit kann im einzelnen Fall sicherlich ein Mal ein Grund sein. Aber dauerhaft?
8. Selbsterfüllende Prophezeihung: Da meldet sich doch sowieso keiner auf meine Stellenanzeige …
Wilhelm Busch hat geschrieben: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich völlig ungeniert. Mit einem fatalistischen Ansatz kann man niemanden gewinnen. Heute ist es wichtig, positive Aufmerksamkeit zu bekommen und dann nicht nur zu überreden, sondern zu überzeugen. Alles drei ist mit der Vogel-Strauß-Politik nicht zu erreichen. Und es ist für die Kandidaten auch völlig unklar, welche Stelle der Fachbereich nun wirklich sucht.
Fazit mit ein bißchen schwarzen Humor: #worldstoughestjob
Wie hoch Erwartungen von Kandidaten sein können und wie wichtig eine gute Stellenbeschreibung ist, zeigt Ihnen dieses Video: #worldstoughestjob – Diese Kandidaten nehmen es mit Humor, dass die Anzeige bewußt getäuscht hat.
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