Super-Passive Kandidaten sind eine besondere Spezies im Kandidaten-Universum. Sie sind beruflich so zufrieden und gefestigt, dass sie nur in extremen Ausnahmefällen für einen Jobwechsel offen sind. Diese Kandidaten lassen sich kaum durch klassische Recruiting-Strategien erreichen, und ihre Motivation, den Job zu wechseln, ist meist von sehr persönlichen und außergewöhnlichen Umständen abhängig. Doch gerade diese Talente können, wenn sie einmal gewonnen werden, eine enorme Bereicherung für dein Unternehmen sein.

Wer sind super-Passive Kandidaten?

Super-Passive Kandidaten sind Menschen, die fest in ihrer beruflichen und oft auch privaten Situation verankert sind. Sie haben in der Regel keine Motivation, ihren Job zu wechseln, weil sie mit ihrer Position zufrieden sind und beruflich oft schon an der Spitze ihrer Karriere stehen. Diese Kandidaten sind oft Geschäftsführer, Vorstände oder Gründer, die ihre Unternehmen mit aufgebaut haben, oder hochqualifizierte Experten, die in ihrem Bereich zu den Besten gehören.

Beispiel 1: Der Gründer, der nur für eine Vorstandposition wechseln würde

Nehmen wir das Beispiel eines Geschäftsführers, der vor 15 Jahren ein Unternehmen gegründet hat und es mittlerweile erfolgreich am Markt etabliert hat. Dieser Kandidat hat sich über die Jahre eine starke Bindung zu seinem Unternehmen aufgebaut – sowohl emotional als auch finanziell. Er kennt jeden Winkel des Unternehmens, jede Herausforderung und jede Chance, die es bietet. Für ihn kommt ein Wechsel nur in Frage, wenn er in eine noch prestigeträchtigere Position wechselt, etwa als Vorstand eines größeren Unternehmens.

Wie erkennst du ihn? Ein solcher Kandidat wird selten sein Profil auf Karriereplattformen aktualisieren. Achte auf seine Interviews in Fachzeitschriften oder auf News über Unternehmensübernahmen – das sind Hinweise darauf, dass er für größere Herausforderungen bereit sein könnte.

Beispiel 2: Das loyale Familienmitglied

Ein weiteres Beispiel für Super-Passive Kandidaten ist das Familienmitglied eines Unternehmens, das sich stark mit dem Betrieb identifiziert. Diese Personen sind oft in kleinen oder mittelständischen Familienunternehmen tätig und fühlen sich nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Familie verpflichtet. Für sie steht ein Wechsel kaum zur Debatte, da es sich nicht nur um eine berufliche, sondern auch um eine familiäre Entscheidung handelt. Sie sind zufrieden, stolz auf das Erbe und haben eine tiefe Loyalität zum Unternehmen.

Wie erkennst du ihn? Solche Kandidaten zeigen meist eine langjährige Zugehörigkeit zum Unternehmen, oft mit einer stabilen oder kaum veränderten Karrierehistorie. Sie sind selten in Netzwerken aktiv, da sie sich in ihrer Rolle und ihrem Umfeld wohlfühlen.

Warum Super-Passive Kandidaten nicht wechseln wollen

Die Gründe, warum Super-Passive Kandidaten so schwer zu bewegen sind, liegen oft in der starken Bindung zu ihrem aktuellen Job. Diese Bindung kann auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein:

  • Emotionale Bindung: Viele dieser Kandidaten haben eine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen, insbesondere wenn sie es selbst aufgebaut haben oder es sich um ein Familienunternehmen handelt.
  • Stabile Karriere: Sie haben oft eine langfristige Perspektive in ihrem Unternehmen und müssen sich keine Sorgen um finanzielle oder berufliche Unsicherheiten machen.
  • Hohe Loyalität: Für viele Super-Passive Kandidaten ist Loyalität ein entscheidender Wert. Sie fühlen sich ihrem Team, ihrem Unternehmen oder ihrer Familie so verpflichtet, dass ein Wechsel schlichtweg nicht infrage kommt.

Wann wechseln Super-Passive Kandidaten doch?

Trotz ihrer starken Bindung gibt es auch bei Super-Passive Kandidaten einige seltene Ausnahmefälle, in denen sie offen für einen Wechsel sind. Diese Fälle sind jedoch extrem individuell und oft von externen Faktoren abhängig:

  • Persönliche Umstände: Veränderungen im privaten Umfeld, wie ein Umzug oder eine Veränderung in der familiären Situation, könnten ein Wechselmotiv sein. Beispielsweise, wenn ein Kandidat näher bei seiner Familie sein möchte oder aus gesundheitlichen Gründen einen weniger stressigen Job sucht.
  • Unwiderstehliches Angebot: Manchmal kann ein außergewöhnliches Angebot einen Super-Passiven Kandidaten doch überzeugen. Das könnte ein Job in einem globalen Unternehmen mit einem erheblichen Karrieresprung sein, der ihm neue Herausforderungen bietet, die er in seiner aktuellen Position nicht mehr findet.
  • Wirtschaftliche Lage: Sollte das Unternehmen, dem der Kandidat angehört, in finanzielle Schwierigkeiten geraten, könnte dies ein Auslöser für einen Wechsel sein. Kandidaten, die normalerweise keine Wechselbereitschaft zeigen, könnten in einem solchen Fall eine sicherere Position in einem anderen Unternehmen bevorzugen.

Beispiel 3: Der Fachexperte, der nur unter besonderen Bedingungen wechselt

Ein weiteres Beispiel für Super-Passive Kandidaten sind Fachexperten, die in ihrem Bereich herausragend sind und deshalb in ihrer aktuellen Position fest verankert sind. Diese Kandidaten haben oft über viele Jahre ein tiefes Fachwissen aufgebaut und sind in ihrem Unternehmen unverzichtbar. Ein Wechsel käme für sie nur infrage, wenn das neue Unternehmen ihnen deutlich mehr Ressourcen oder ein einzigartiges Forschungsumfeld bietet.

Wie erkennst du ihn? Dieser Kandidat ist oft in Fachpublikationen präsent und auf Konferenzen aktiv. Seine Wechselbereitschaft könnte an der Art der Forschung oder den Projekten liegen, die er gerne weiter ausbauen möchte, was in seinem aktuellen Umfeld nicht mehr möglich ist.

Die Herausforderung, Super-Passive Kandidaten anzusprechen

Da Super-Passive Kandidaten nicht aktiv nach neuen Stellen suchen und oft keinen Bedarf an einem Jobwechsel verspüren, musst du besonders behutsam und strategisch vorgehen. Hier einige Tipps, wie du diese seltenen Talente dennoch erreichen kannst:

  • Netzwerken statt Werben: Bei Super-Passiven Kandidaten ist eine langfristige Beziehung der Schlüssel. Anstatt direkt ein Jobangebot zu machen, solltest du über Jahre hinweg Kontakt halten und eine Beziehung aufbauen.
  • Gezielte Anreize setzen: Überlege dir, welche einzigartigen Anreize du bieten kannst. Das kann eine maßgeschneiderte Position sein oder außergewöhnliche Vorteile, die in der Branche selten sind.
  • Diskretion ist Trumpf: Besonders bei Geschäftsführern oder Familienmitgliedern eines Unternehmens musst du Diskretion wahren. Oft möchten sie nicht, dass ihre Wechselbereitschaft öffentlich wird, da dies ihre aktuelle Position schwächen könnte.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Ansprache?

Super-Passive Kandidaten reagieren oft nicht auf typische Jobangebote oder Stellenanzeigen. Stattdessen ist der richtige Zeitpunkt für eine Ansprache oft von persönlichen oder beruflichen Wendepunkten abhängig. Diese können sein:

  • Veränderungen im privaten Umfeld: Wenn du weißt, dass der Kandidat in eine neue Lebensphase eintritt, wie beispielsweise der Umzug in eine neue Stadt oder der Wunsch nach mehr Zeit für die Familie, könnte das der Moment sein, um ins Gespräch zu kommen.
  • Externe Veränderungen: Wirtschaftliche Unsicherheiten oder Änderungen in der Unternehmensstruktur können Super-Passive Kandidaten ebenfalls dazu bringen, ihre Loyalität zu überdenken.

Super-Passive Kandidaten sind, wie bereits erwähnt, extrem schwer zu fassen. Sie sind meist in ihrer Position und ihrem beruflichen Umfeld tief verwurzelt, wodurch sie sich von anderen Kandidatentypen stark unterscheiden. Sie hinterlassen oft keine offensichtlichen Spuren, dass sie an einem Wechsel interessiert sind – aber es gibt dennoch einige subtile Anzeichen, die du erkennen kannst, wenn du eine gezielte Profilanalyse durchführst.

Wie du Super-Passive Kandidaten durch Profilanalyse erkennst

  1. Lange Beschäftigungsdauer in einem Unternehmen: Super-Passive Kandidaten sind in der Regel seit vielen Jahren, manchmal sogar Jahrzehnten, in derselben Firma tätig. Diese Stabilität deutet darauf hin, dass sie mit ihrer aktuellen Position zufrieden sind und wenig Motivation haben, den Arbeitgeber zu wechseln.
  2. Seltene oder keine Updates im Profil: Super-Passive Kandidaten sind selten in sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder XING aktiv. Wenn sie ihre Profile kaum aktualisieren oder wenig berufliche Neuigkeiten teilen, kann das ein Zeichen dafür sein, dass sie sich sicher in ihrer aktuellen Position fühlen und keinen Grund sehen, ihr berufliches Netzwerk zu erweitern.
  3. Fachartikel und Interviews: Super-Passive Kandidaten – insbesondere Führungskräfte – erscheinen oft in der Presse oder geben Fachinterviews. Sie nutzen diese Plattformen, um ihr Fachwissen zu präsentieren und sich als Experten zu positionieren, ohne dabei aktiv nach neuen Jobmöglichkeiten zu suchen.
  4. Loyalität zu ihrem Unternehmen: Oft weisen diese Kandidaten eine extreme Loyalität zu ihrem Unternehmen auf, was sich in langjährigen Firmenzugehörigkeiten oder starkem Engagement für die Unternehmenswerte zeigt. Sie könnten auf ihrer Profilseite betonen, wie wichtig ihnen ihre Rolle im Unternehmen ist und wie sehr sie sich mit der Vision des Unternehmens identifizieren.
  5. Fehlende Aktivität auf Jobportalen: Super-Passive Kandidaten hinterlegen ihre Lebensläufe nicht in Lebenslaufdatenbanken oder Jobportalen. Sie scheinen auf den ersten Blick gar nicht „auf dem Markt“ zu sein, was sie zu einer echten Herausforderung für Recruiter macht.

Tipps, um Super-Passive Kandidaten erfolgreich anzusprechen

Falls du die seltene Gelegenheit hast, einen Super-Passiven Kandidaten anzusprechen, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Da diese Kandidaten in der Regel nicht auf der Suche nach neuen Möglichkeiten sind, musst du besonders vorsichtig und strategisch vorgehen. Hier einige Tipps, die dir helfen, diese besonderen Talente doch für ein Gespräch zu gewinnen:

  1. Baue Vertrauen auf: Super-Passive Kandidaten lassen sich nicht durch schnelle Angebote überzeugen. Du musst eine langfristige Beziehung aufbauen, die auf Vertrauen und Diskretion basiert. Versuche nicht, den Kandidaten gleich beim ersten Kontakt zu einem Wechsel zu überreden – stattdessen solltest du Interesse an seiner beruflichen Situation und seinen langfristigen Zielen zeigen.
  2. Personalisiere dein Angebot: Ein generisches Jobangebot wird einen Super-Passiven Kandidaten kaum beeindrucken. Finde heraus, was ihn wirklich motiviert – sei es eine neue Herausforderung, mehr Verantwortung oder eine einzigartige Position. Passe dein Angebot genau auf seine Bedürfnisse und Ziele an.
  3. Kommuniziere diskret: Da Super-Passive Kandidaten in ihrer aktuellen Position tief verwurzelt sind, legen sie großen Wert auf Diskretion. Stelle sicher, dass deine Kommunikation vertraulich bleibt und keine negativen Auswirkungen auf ihre aktuelle Rolle hat.
  4. Biete außergewöhnliche Vorteile: Um Super-Passive Kandidaten zu gewinnen, brauchst du außergewöhnliche Anreize. Das könnten exklusive Projekte, eine einzigartige Karrierechance oder besonders attraktive Arbeitsbedingungen sein. Du musst ihnen etwas bieten, das sie in ihrer aktuellen Position nicht bekommen.
  5. Zeige langfristige Perspektiven auf: Super-Passive Kandidaten sind häufig an langfristiger Stabilität und Sicherheit interessiert. Sie haben bereits viel in ihre aktuelle Position investiert und brauchen daher eine Perspektive, die ihnen zeigt, dass ein Wechsel sich langfristig lohnt. Zeige ihnen, welche Karrierechancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sie bei dir erwarten.
  6. Nutze dein Netzwerk: Da diese Kandidaten oft nicht direkt auf Jobangebote reagieren, kann dein persönliches Netzwerk eine wichtige Rolle spielen. Versuche, über gemeinsame Kontakte eine Einführung zu bekommen oder Empfehlungen von vertrauenswürdigen Personen zu nutzen, um das Gespräch zu eröffnen.
  7. Verstehe ihre Motivation: Finde heraus, was den Kandidaten antreibt. Für einige ist es vielleicht die Freiheit, strategisch zu arbeiten, während andere nach Anerkennung oder einer neuen beruflichen Herausforderung suchen. Indem du die individuellen Motivationen eines Super-Passiven Kandidaten verstehst, kannst du dein Angebot entsprechend anpassen.

Fazit: Super-Passive Kandidaten erkennen und gewinnen

Super-Passive Kandidaten sind wertvolle Talente, aber sie lassen sich nur selten von traditionellen Recruiting-Methoden überzeugen. Die größte Herausforderung besteht darin, ihre subtilen Wechselbereitschaftssignale zu erkennen und mit viel Geduld und Diskretion die richtige Ansprache zu finden. Wenn du es schaffst, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihnen eine maßgeschneiderte, langfristige Perspektive zu bieten, hast du die Chance, diese seltenen Talente für dein Unternehmen zu gewinnen.

Der Schlüssel liegt in der Kombination aus gezielter Profilanalyse, personalisierter Ansprache und diskreter, langfristiger Beziehungspflege. Es wird nicht einfach sein, Super-Passive Kandidaten für einen Wechsel zu begeistern – aber wenn es dir gelingt, können sie dein Unternehmen auf ein ganz neues Level bringen.

HAPPY RECRUITING!

Mehr Erklärungen zu den unterschiedlichen Kandidatengruppen:

1. Aktive, passive und semi-aktive Kandidaten verstehen – Teil 1
2. Aktive Kandidaten und Bewerber verstehen- TEIL 2
3. Die 10 Typen der semi-aktive Kandidaten verstehen – Teil 3
4. Wie erreiche ich passive Kandidaten [Infographic] – TEIL 4
5. Super-Passive Kandidaten – wie du sie (vielleicht) gewinnen kannst – Teil 5
6. „Passiv jobsuchend“ – Warum dieser Begriff irreführend ist und dem Recruiting schadet – Teil 6

    Hat Ihnen dieser Blogbeitrag gefallen?
    Hier können Sie sich in die Liste für Blogupdates eintragen:

    Mit dem Absenden des Kontaktformulars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten zur Bearbeitung Ihres Anliegens verwendet werden (Weitere Informationen und Widerrufshinweise finden Sie in der Datenschutzerklärung).

    Be Social - Bitte teilen Sie diesen Beitrag mit Ihrem Netzwerk!

    Author

    • Sie ist pragmatische Talentfinderin, Expertin im ‚Finden‘ talentierter Mitarbeiter, Social Recruiting Coach, Master-Sourcerin, Trainerin und Autorin des Besteller-Kompendiums “Praxiswissen Talent Sourcing” sowie Co-Autorin des Bestellerbuches ‘Praxishandbuch Social Media Recruiting’. Nach einem BWL-Studium in Deutschland und Großbritannien, langjähriger Erfahrung als Personalmanagerin in renommierten Qualitätsunternehmen der Industrie und als Partnerin bei Top-10-Personalberatungen gründete sie 2005 die Intercessio GmbH. Ihr Motto: In Dir muss brennen, was Du in anderen entfachen willst – Augustinus

      View all posts