Der Sourcing Erfolg ist nicht einfach nur das Finden von Talenten. Vor lauter Finderglück und Sourcing Elan wird oft die Candidate Experience im Sourcing Prozess vergessen. Und die ist definitiv anders als im Recruiting. Denn die Zielgruppe des Sourcers sind keine aktiven Bewerber, sondern sie ist erst mal nichts weiter als eine große Zahl passiver User. Diese wissen vor ihrer Ansprache noch nichts von ihrem Glück. Und nur weil sie interessiert auf die tolle Sourcing Nachricht antworten, werden sie nicht zu Bewerbern. Es gibt eine lange Reihe von handfesten Gründen, warum es keinen Shortcut zum Sourcing Erfolg gibt und diesen wollen wir in diesem Blog Post nachgehen.
Inhaltsverzeichnis
- Der “kleine” Unterschied zwischen Recruiting und Sourcing Erfolg
- Jetzt mal Butter bei die Fische: Was ist Sourcing Erfolg wirklich?
- Wieviel Zeit bleibt beim Ad-Hoc-Recruiting für Candidate Experience?
- Echt jetzt: Candidate Experience ist im Sourcing anders?
- Passive Talente sind keine Bewerber – sowie Profile auch keine Lebensläufe sind!
- Nope, Leute das mit dem Shortcut durch Active Sourcing wird nichts!
- Falsche Erwartungen von Nicht-Sourcern: HR-Kollegen, Fachbereiche und Kunden
- Fazit
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Der “kleine” Unterschied zwischen Recruiting und Sourcing Erfolg
Interessanterweise ist sich die Mehrheit bezüglich des Recruiting Erfolgs fast einig: Wir definieren fast alle den Recruiting Erfolg mit “Stellenbesetzung bzw. Vertragsunterschrift”. Zwar kommen heute durch den Fachkräftemangel auch Recruiter auf die Idee zu sagen: “Ich habe 3 Interviews und das ist mein Recruiting Erfolg”. Was verständlich ist, denn natürlich sind 3 (gute) Interviews heute etwas Besonderes, auch im Recruiting werden sie immer seltener und wird alles schwerer.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Was ist Sourcing Erfolg wirklich?
Das sieht dann schon mal ganz anders in der Welt des Active Sourcings aus. Denn es gibt bereits unter Sourcern eine dauerbrennende Grundsatzdiskussion über: Was ist Sourcing Erfolg? Die einen sind der Meinung, Sourcing Erfolg ist,
- wenn sie ein Talent durch Active Sourcing gefunden und dem Fachbereich oder Kunden vorgeschlagen haben. Ursache dafür ist: Da Sourcer diesen kritischen Punkt der Übergabe oft nicht unter Kontrolle haben können, da ihr Prozess hier endet, sieht die Mehrheit der Sourcer sich für die weitere Personalbeschaffung nicht verantwortlich. Hier ist m.E. die Zahl der vorgeschlagenen Kandidaten sehr stark im Fokus.
- Aber ein anderer Teil der Sourcer sieht den Sourcing Erfolg erst darin, dass ein Vertrag (beim neuen Arbeitgeber) unterschrieben wurde. Hier geht es also um die Stellenbesetzung und den Anteil des Sourcings daran.
- Und dann gibt es sogar noch eine Randgruppe, die sagt: Sourcing ist ein wichtiger Teilprozess des gesamten Talent Managements. Und das Talent Management ist erst dann erfolgreich, wenn der gesourcte Kandidat die Probezeit bestanden hat und/oder erfolgreich beim neuen Unternehmen arbeitet. Eine sehr weitreichende Definition und sehr auf die Qualität und nicht die Quantität der Kandidatenvorschläge fokusiert.
In diesem Blogartikel können wir diese Grundsatzdiskussion nicht lösen. Auch hängt diese von vielen anderen Einflussfaktoren wie Employer Branding, Profile der offenen Stellen, Persönlichkeiten usw. ab. Aber durch die unterschiedlichen Definitionen wird klar: Bevor man allgemein von Sourcing Erfolg spricht oder ihn vergleicht, sollte man klären, von welchem Erfolg in welchem Stadium im Personalbeschaffungsprozess man spricht. Besonders wenn man sagt: Unser Sourcing ist sehr erfolgreich – oder war nicht erfolgreich. Erwartungen können hier auch schnell viel zu hoch und unerreichbar werden.
Wieviel Zeit bleibt beim Ad-Hoc-Recruiting für Candidate Experience?
Wir haben im Personalbeschaffungsprozess bereits aus dem Recruiting und der Talent Acquisition so viele Probleme und Schwierigkeiten. Und nun kommen dazu auch noch die der Bewerber- und Candidate Experience. Wir Recruiter lernen gerade Empathie und Verständnis für unsere aktiven Bewerber im Recruiting. Wir lernen zu verstehen, dass deren Online Verhalten sich immer wieder ändert, in Folge damit deren Erwartungen – und dass wir uns deshalb ständig mit ändern müssen. Das ist bereits super anstrengend. Denn wir sind in einem Just-in-Time Recruiting System gefangen. Bei im Schnitt 10 offenen Stellen (bei Corporates), 15 Vakanzen (bei Beratungen) oder noch viel mehr mehr offene Stellen auf dem Tisch in der Personalvermittlung ist der Weg aus diesem reaktiven System über das Recruiting nicht in Sicht. So hofft alles auf das Active Sourcing als Turbo und Problemlöser.
Echt jetzt: Candidate Experience ist im Sourcing anders?
Aber dabei spielt sehr viel mehr das Prinzip Hoffnung anstatt pragmatischer Realismus mit als die meisten wahrhaben wollen:
- Die Hoffnung, dass es einen Shortcut zu Talenten via Sourcing gibt, die – sehr wahrscheinlich- ja alle in XING und LinkedIn latent suchend sind (hier unser Blogpost: Blogpost: Active Sourcing ist nicht Social Media Searching!.
- Die Hoffnung, daß der Job, den man anbietet, der bessere ist (- und so auch wahrgenommen wird).
- Die Hoffnung, dass man mit ein paar Nachrichten an die Richtigen, ganz einfach an diesen zig B- und C-Bewerbern vorbei zu Talenten kommt (- und so Arbeit und Zeit spart).
- Oder die Hoffnung, dass Tools das richten, weil sie ja viel kosten und man hören will, daß die Anbieter, dies angeblich so sagen (- auch im Sourcing gilt: Jedes Tool ist nur so gut wie der User).
Die Liste könnte ich noch endlos lang weiter schreiben: Ganz, ganz viel – und leider viel zu viel Hoffnung. Und zu wenig Wissen über die Möglichkeiten. Und noch weniger Knowhow, wie die Zielgruppe der Sourcer tickt: Die passiven Talente.
Der Zweckoptimismus ist wichtig, doch darf man nicht übersehen: Es geht im Sourcing nicht um Bewerber. Im Sourcing geht es um die viel, viel komplizierteren passiven Talente. Und deren Experience unseres Sourcing Prozesses ist definitiv anders als der der aktiven Bewerber. Sorry for the bad news.
Passive Talente sind keine Bewerber – sowie Profile auch keine Lebensläufe sind!
Wir wollen durch das Active Sourcing weg von unseren aktiven Bewerbern und diese neue Zielgrupppe gewinnen: Die passiven Talente. Und die Zeiten, wo diese alle in nur einem Portal aktiv waren, sind vorbei. Denn damit wir sie überhaupt “gewinnen” können, müssen wir sie finden. Heute haben Menschen mehrere Social Media Profile, aber pflegen – wenn überhaupt- nur noch wenige oder nur eines davon. Und dieses eine ändert sich ständig – je nach Lebenssituation und verändertem Wertesystem. Mal finden sie Facebook gut, dann wechseln sie zu LinkedIn oder XING und ziehen weiter zu Instagram. Und es gibt viele Sourcer, auf allen Portalen – wer also nur in einem Portal in nur einer Version sucht und anspricht, limitiert sich selbst – oft sogar auf die eigentlich aktiv Suchenden.
Umdenken ist eine Sourcing Erfolgs Voraussetzung – und sich dabei bewußt werden: Der Prozess ist alles, nur nicht schnell und einfach. Besonders wichtig für den Sourcing Erfolg ist auch diese vielfältigen Online-Informationen aus allen Quellen für eine individuelle, persönliche Ansprache einzusetzen wie Recruiting- und Sourcing-Experte Henrik Zaborowski eindrucksvoll erklärt und zeigt: Erfolgreiche Kandidatenansprache? So geht das (nicht)! Fakt ist also, daß der eine Individualisierung der Ansprache ohne Wissen über die Persönlichkeit schnell erfolgskritisch werden kann.
Nope, Leute das mit dem Shortcut durch Active Sourcing wird nichts!
Das Missverständnis, dass gesourcte Talente Bewerber sind, beginnt damit, dass immer noch gedacht wird, dass Profile Lebensläufe seien (sind sie nicht – hier im Blogpost mehr: Umparken im Kopf: Profile sind keine Lebensläufe! ). Ein Sourcer, der auf seinen Sourcing Erfolg hofft und mehr “Kandidaten” in nur einem Portal sucht, der wird die Schwelle zu den guten, meist besseren passiven Kandidaten nur rein zufällig überschreiten. Sourcing Erfolg ist also – unabhängig von der sonstigen Definition- daran gekoppelt, User und damit die potentiellen Kandidaten zu verstehen. User sind einfach nur Menschen, die online sind – und nicht auf das Job-Angebot warten. Denn sie werden sehr hofiert werden. Kein Sourcer ist alleine online unterwegs.
Viele dieser passiven User, besonders in Business Netzwerken, bekommen viele bis sehr viele Online-Ansprachen. Manches Mal 40-60 am Tag! Können sie diesen verübeln, dass sie die Netzwerke teilweise nur noch einmal im Monat besuchen? Und über die Qualität dieser Ansprachen müssen wir uns heute wirklich große Sorgen machen: Eine immer größere Zahl Sourcer nimmt sich oder hat keine Zeit, über die tatsächliche Candidate Experience dieser passiven Talente, also ihrer Zielgruppe, nachzudenken (hier mehr: Hier spricht der Kandidat: Massenmails sind Bockmist, Kaltanrufe auch!).
Falsche Erwartungen von Nicht-Sourcern: HR-Kollegen, Fachbereiche und Kunden
Es gibt heute noch viele Mythen zum Thema Active Sourcing , das viel zu häufig als Personalbeschaffungsallzweckwaffe (hier mehr im Blogpost: Nein – Active Sourcing ist KEINE Allzweckwaffe!) gesehen wird:
- Es sieht so einfach aus, wenn die Experten es vormachen,
- viele Trainer erklären, es sei einfach, um ihre Trainings zu verkaufen und
- die Vertriebsleute der Tool Anbieter untertreiben hin- und wieder, wie hoch der Lernaufwand ist, bevor man das Tool einsetzt.
Kurz: Nicht-Sourcer erhoffen sich die häufig vom Sourcer die schnelleren und bessere “Bewerber”. Mal unabhängig davon, daß der Sourcer das nicht leisten kann und wird: Die Kandidaten sind oft zum Zeitpunkt des Interviewtermins nicht nur keine Bewerber, sondern auch keine Kandidaten. Sie sind allemal “sehr interessiert” – je nach deren persönlicher Skala von “interessiert”. Das heißt, die Fachbereiche oder die Kollegen aus HR müssen sich darüber klar werden: die gesourcten Interviewpartner sind keine vom Headhunter vorqualifizierte “Bewerber”. Das sind maximal Interessenten.
Deshalb ist der Sourcing Erfolg maßgeblich davon abhängig, wie die Kollegen aus HR, Recruiter oder die Fachbereiche bzw. bei Dienstleistern die Kunden, sich bewußt machen, daß sie die Aufgabe haben, diese Interessenten als Mitarbeiter zu gewinnen. Dies erfordert eine Umstellung des Betreuungs- und Interviewprozesses. Wer hier keine Anpassungen vornimmt, experimentiert nicht nur, sondern gefährdet das “Closing” – also die Unterschrift unter einen Vertrag und damit die Stellenbesetzung.
Fazit
Einen Shortcut zum Talent gibt es online nicht, egal wie einfach das alles aussieht. Denn mit dem Finderglück, das heute auch schon sehr schwer zu erreichen ist, ist es nicht getan. Der Sourcing Erfolg und das erfolgreiche Finden der richtigen Talente sowie die wertschätzende Kommunikation setzen beides Verständnis und Augenhöhe für die jeweiligen passiven Talente voraus. Und unsere Zielgruppe wird, darf und kann sich Zeit lassen. Sie haben die Wahl und wissen, daß sie gut sind. Und sind keinesfalls aktiv auf der Suche und können sich, je besser sie sind, sogar zurücklehnen.
Es ist an uns, diese zu gewinnen. Der War for Talent tobt besonders im Active Sourcing – das wird gern vergessen oder ignoriert. Und das Schlachtfeld ist die Inbox der Online-User. Fakt ist also: Gesourcte Talente sind keine Bewerber und deshalb sollte jeder, der Active Sourcing in den Prozess der Personalbeschaffung integriert (auch wenn der Sourcer eine Beratung oder externer Dienstleister ist) die internen Abläufe anpassen, wenn er seinen Sourcing Erfolg nicht dem Zufall überlassen möchte.<
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