Das erfolgreiche Telefoninterview mit passiven Kandidaten unterscheidet sich sehr von telefonischen Interviews mit Bewerbern. Denn ein Bewerber hat nicht nur einen Lebenslauf eingereicht, sondern sein Interesse an der Aufgabe signalisiert. Auch ist der passive Kandidat nicht auf Jobsuche, seine Wechselbereitschaft ist gering bis nicht vorhanden und zum Zeitpunkt des Telefonates hat er  in der Regel gerade mal Interesse an mehr Informationen. Seine Erwartungen und Verhalten sind nicht mit dem eines passiven Kandidaten vergleichbar. In diesem Blogartikel möchte ich die 6 wichtigsten Do´s and Don´ts im Telefoninterview mit passiven Kandidaten herausstellen.

Der zentrale Unterschied zwischen passiven und aktiven Kandidaten

In dem ersten Gespräch mit einem passiven Kandidaten ist die oberste Aufgabe des Recruiters oder Sourcers diesen zu gewinnen – und nicht zu verlieren. Natürlich ist auch in diesem Fall das gegenseitige Kennenlernen wichtig, denn parallel möchte jeder Interviewer herauszufinden, ob der Kandidat für die offene Stelle grundsätzlich in Frage kommt. Die Herausforderung ist also, zwischen diesen beiden Aufgabenschwerpunkten im Telefoninterview eine Balance zu finden.

Ein Telefoninterview mit einem aktiven Kandidaten (= er hat sich noch nicht beworben) oder gar einem Bewerber (= er hat bereits eine Bewerbung eingereicht) ist viel leichter. Zwar sind beide auf Jobsuche und stehen damit klassischen Interviewfragen viel offener gegenüber. Und natürlich muss der Interviewer auch hier darauf achten, den Kandidaten nicht zu verlieren. Aber Fehler werden in der Regel nicht sofort durch einen Rückzug des Kandidaten bestraft, wie im Fall der passiven Kandidaten.

Das professionelle Telefoninterview

Wie in unserem letzten Blogartikel beschrieben, läuft das professionelle Telefoninterview von passiven Kandidaten in fünf Phasen ab (zum Nachlesen in unserem Blogpost: Optimales Telefon-Interview mit passiven Kandidaten? Es ist einfach, wenn Sie es klug machen!). In der vierten Phase tauschen Sie sich mit Ihrem Kandidaten über die Position und die geforderten Skills aus – in der Regel vorab per Telefon. Wichtig ist es bei dem Telefonat mit passiven Talenten, dass das Gespräch nicht den Abfrage-Charakter eines Vorstellungsgesprächs bekommt.

Ein klassisches Vorstellungsgespräch ist in seinem Konzept und Ablauf für Bewerber ausgelegt, die aktiv nach einem Job suchen. Doch das ist keine Entschuldigung für ein Gespräch ohne den Bewerber gewinnen zu wollen. Es gibt so viele Standardfragen, die weder diplomatisch, noch wirklich werbend sind und wo mit man sehr erfolgreich auch Bewerber in die Flucht schlagen kann (wie man hier nachlesen kann). Solche Bewerberinterview-Fragen sind Selbstsabotage bei passiven Kandidaten. Um den Unterschied zwischen einem Telefoninterview mit aktiven und passiven Kandidaten zu verdeutlichen, haben wir hier sechs dieser typischen und sehr kritischen Interviewfragen herausgestellt und Ihnen eine Lösung erarbeitet, wie Sie diese Fragen analog stellen, aber es besser machen können.

Hier kommen sie: Unsere Top 6 Do´s and Don´ts im Telefoninterview mit passiven Kandidaten:

1. DIE STANDARDFRAGE:
    Erzählen Sie etwas über sich selbst

Natürlich möchten Sie wissen, ob Ihr Kandidat zu der vakanten Position passt und ob er für Sie und Ihr Unternehmen ein Talent ist. Diese Frage schafft aber eine typische Telefoninterview Situation, auf die ein passiver Kandidat mit Ablehnung reagieren wird. Denn er sucht nicht aktiv nach einem Job und ist möglicherweise sogar ganz zufrieden in seinem jetzigen. Besser ist es dem Kandidaten eine Frage zu stellen mit der er sich wohl fühlt. Zum Beispiel können Sie nach seinem Traum Arbeitgeber Fragen oder nach seinem Traumjob.

Eine weitere Möglichkeit ist es den Kandidaten danach zu fragen, wie seine ideale Arbeitsumgebung aussehen könnte. Dadurch erfahren Sie nicht nur, ob seine Vorstellungen mit Ihrem Unternehmen übereinstimmen können, sondern schaffen zusätzlich eine positive Gesprächsatmosphäre, da Sie sich für die Wünsche und Vorstellungen Ihres Kandidaten interessieren:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
In welchem Umfeld fühlen Sie sich wohl?

 

2. DIE STANDARDFRAGE:
     Warum sollten wir Sie einstellen? 

Passive Kandidaten sind oftmals noch gar nicht auf Jobsuche und wollen sich im besten Fall über die Position informieren. Die Frage, warum wir ihn einstellen sollten passt in diesem Kontext nicht. Auch hier geht es darum, dem Kandidaten erst einmal ein gutes Gefühl zu geben und ihm zu zeigen, dass man ein großes Interesse daran hat, zu erfahren was er tut. Die Frage nach den Schwerpunkten seiner Position ist eine gute Möglichkeit herauszufinden was er tut, und ob seine Schwerpunkte mit der vakanten Stelle übereinstimmen:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Was sind Ihre Schwerpunkte in der Position als ***?

 

3. DIE STANDARDFRAGE:
     Was ist Ihre größte Stärke?

Die Frage nach den Stärken und Schwächen bei Bewerbern in Vorstellungsgesprächen ist mittlerweile Standard geworden. Bewerber können sich also auf diese Frage vorbereiten und so erhalten Personaler auf solche Standardfragen vorgefertigte Standardantworten. Eine solche Standardfrage in einem Telefoninterview einem passiven Kandidaten zu stellen ist ein großes Wagnis. Man gibt ihm damit das Gefühl „abgefragt“ zu werden und obendrein, wenn er keine direkte Antwort hat, bringt man ihn in Verlegenheit.

Dennoch möchte man mehr über die Stärken auch bei passiven Kandidaten herausfinden. Hier hilft die positive Formulierung und Frage danach, was der Gesprächspartner berufs- bzw. aufgabenbezogen gern macht. Denn man geht so von der Hypothese aus, dass Menschen, die etwas gerne machen, dies auch oft tun und darin gut sind. Demnach kann die Frage ganz einfach umgewandelt werden in:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Was machen Sie besonders gerne?


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4. DIE STANDARDFRAGE: 
   Was ist Ihre größte Schwäche?

Analog zur Stärkenfrage, ist es wenig diplomatisch nach den Schwächen direkt zu fragen. Auf eine solche Standardfrage erhält man bereits von Bewerbern nur Standardantworten. Wenn man bedenkt, dass man ein passives Talent werben möchte, ist es höchst unklug, diesen Gesprächspartner eine solche negativ behaftete Fragen direkt nach seinen Schwächen zu fragen.

Aber niemand macht alles gleich gern. Das heißt, wenn wir davon ausgehen, dass Personen, die etwas nicht so gerne machen, dies auch seltener machen und nicht gut darin sind, können wir auch diese Schwächen-Frage im Telefoninterview in allgemeinerer Form umformulieren zu:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Gibt es Tätigkeiten oder Aufgaben, die Sie nicht so gerne machen?

 

5. DIE STANDARDFRAGE:
     Warum wollen Sie Ihren Job verlassen?

Dies ist zwar eine weitverbreitete Frage, die in allen Interviewbüchern so auftaucht. Doch sie ist bereits bei Bewerbern höchst kritisch und old-school. Sie ist negativ belegt und hinterläßt das Gefühl beim Interviewpartner, dass dieser es in der derzeitigen Aufgabe nicht mehr aushält oder sonst wohl etwas im Job nicht stimmt. Werbend ist eine solche Frage jedenfalls nicht, sie schreckt eher ab.

Für ein Telefoninterview mit passiven Kandidaten passt diese direkte Abfrageform grundsätzlich nicht. Mal unabhängig davon, dass er nur eine eingeschränkte oder zum Zeitpunkt des Telefoninterviews noch keine Wechselbereitschaft besitzt: Er ist derzeit nicht auf Jobsuche. Eine solche Frage ist somit äußerst kontraproduktiv, weil man den passiven Kandidaten gerade zum Wechsel bewegen möchte und dabei alle Anstrengungen unternehmen sollte, ihn zu werben.

Dennoch möchte man natürlich im Telefoninterview mehr erfahren, hier kann ein ehemaliges Wechselmotiv Aufschluss geben. Viel besser ist es mit einem (ehrlichen) Kompliment zu beginnen. Zum Beispiel kann man man den klaren roten Faden im Lebenslauf des Kandidaten oder die Karriere loben, die er bereits zurückgelegt hat. Anschließend kann man nach dem nächsten Karriereschritt fragen. Und in Anschluss daran diplomatisch diskutieren, wie das wohl beim vorherigen Karrierestep war.

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Was wäre für Sie die nächste Weiterentwicklung?

 

6. DIE STANDARDFRAGE:
     Warum möchten Sie für uns arbeiten?

Ich bin persönlich der Meinung, dass man auch Bewerber werben sollte und eine solche direkte Abfrage nach der Vorbereitung für das Vorstellungsgespräch nicht stellen sollte. Deshalb finde ich, dass man generell Bewerber aber auch passiven Kandidaten, die bereits das Unternehmen kennen diese Frage in umgewandelter Form stellen kann:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Kann ich Ihnen noch mehr zu uns/dem Unternehmen *** erzählen?

Wenn allerdings der passive Kandidat das Unternehmen nicht kennt, oder wenn man zum Beispiel in der Personalvermittlung bzw. Zeitarbeit arbeitet und den Namen des Kunden am Anfang oder im ersten Telefoninterview noch nicht nennen darf, muss man eine andere Lösung für diese Frage finden. Es empfiehlt sich, sich stattdessen auf den Job und die einzelnen Aufgaben der Vakanz zu konzentrieren. So könnte man eine Brücke bauen, in dem man das Unternehmen nicht ganz außen vor lässt und nach Präferenzen zu Arbeitgebergröße oder -branche (bzw. anderer Eigenschaften) fragt, bei denen der Kandidat sich wohlfühlen würde:

DIE (BESSERE) ALTERNATIVE:
Haben Sie Präferenzen, was das Unternehmen angeht? Arbeiten Sie lieber in einem mittelständischen Unternehmen oder in einem Konzern?

Fazit:

Das Telefoninterview ist die einmalige Chance, den passiven Kandidaten zu überzeugen und zu werben, so dass er tatsächlich nach dem Gespräch entweder einen Lebenslauf schickt oder gleich eine Bewerbungsmappe. Dabei muss man sich klar machen: Passive Kandidaten besitzen vor und im Telefoninterview noch keine Wechselbereitschaft und sind nicht auf Jobsuche. Es ist die Aufgabe des Interviewers, also des Recruiters oder Sourcers, diesen passiven Kandidaten zu gewinnen.

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