Wer Sourcing einfach nur ‘proaktives Recruiting’ nennt, hat sich noch nicht dem Workflow erfolgreicher Sourcer und damit mit professionellem Active Sourcing beschäftigt. Sourcing ist weit mehr als nur ‘proaktive’ oder ‘aktive’ Personalbeschaffung. Es ist bereits ein eigener Beruf, wie der des Recruiters und hat deshalb unterschiedliche Arbeitsgänge sowie nützt teils sogar komplett unterschiedliche Methoden und Tools als der Recruiter. Sourcing ist auch nicht einfach ‘digitalisiertes’ Recruiting, denn Sourcer und Recruiter besitzen unterschiedliche Einstellungen, auch wenn man sagen kann: Sourcing ist eine Weiterentwicklung des Recruitings.

Recruiting heute – vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen?

Die öffentlichen und lauten Diskussionen um immer ‘neue’ Themen wie Candidate Experience, Candidate Journey oder Culture Fit kann das Gefühl aufkommen lassen, dass einige das originäre Ziel der Personalbeschaffung aus den Augen verloren haben: EINFACH nur gute, talentierte  neue Mitarbeiter und Kollegen finden und einstellen. Dies ist angesichts der Digitalisierung und damit teilweise Über-Technokratisierung unserer Arbeitswelt kein Wunder. Denn nur zu oft herrscht der Glaube vor, dass alle neue Technik und Innovation per se gut und hilfreich ist – und deshalb mit Fortschritt gleichzusetzen sei. Alles wird aufgegriffen, beleuchtet, aber auch umgesetzt – häufig sogar ohne Rücksicht auf Menschen und Prozesse. Aber dieser Meinung, dass jede neue Technik und Digitalisierung für alles die ‘heilbringende’ Lösung und in jedem Fall eine Arbeitserleichterung ist, sind nicht alle. Es gibt immer noch viele Unternehmen und Personalbeschaffungs-Praktiker, die sehr wohl nah an ihren potentiellen neuen Mitarbeitern erfolgreich AKTIV rekrutieren – und dennoch nicht automatisch Feinde des Fortschritts sind. Sie sind Praktiker und für sie ist Wertschätzung kein neues Thema, das sie suchen und finden müssen. Gutes, zielorientiertes Recruiting war und ist also aktiv, mit Planung und Vorbereitung sogar PROaktiv.

Richtigstellung: Gutes Recruiting war und ist aktives Recruiting!

So ganz klar ist das nicht, warum wir in Deutschland das englische Wort ‘Active’ vor Sourcing setzen. Die HR-Kollegen der anderen Länder machen das nicht, dort heißt es einfach ‘Sourcing’. Sie sind ausgesprochen verwundert über diese Überpointierung. Denn dieses Adjektiv legt geradezu den Gedankengang nah, den Recruitingprozesses als  – im Vergleich – ‘nicht aktiv’ zu degradieren. Und allerdings ist bei genauerem Hinsehen das ‘aktiv’ vor Sourcing ein weißer Schimmel, also eine sprachliche Tautologie (hier mehr). So wie der Schimmel per se weiß ist, ist ein (guter) Recruiter immer schon aktiv: Die Gespräche mit den Fachbereichen führen sich nicht von alleine, die Anzeigentexte werden nicht von Heinzelmännern getextet. Und die Fee, die sich Gedanken macht, was die richtigen Jobboards sind, um die Anzeige zu schalten, gibt es auch nicht. Die muss also ein Recruiter auch bisher aktiv durchgeführt haben. Persönliche Eingangsschreiben werden nicht von Zauberhand versandt und die Interviews können nicht vollautomatisiert werden, wenn man nur mit ein bißchen Wertschätzung auf andere Menschen zu geht. Merken Sie das? Wir in Deutschland scheinen uns auf ein fast selbstbezichtigendes ‘aktiv’ bzw. ‘active’ zu konzentrieren – nicht auf das ‘Sourcing’ als Prozess.

Der zentrale Unterschied zwischen Sourcing und Recruiting

Wenn beides ‘aktiv’ ist, dann muss folgerichtig der wahre Unterschied in anderen Ursachen zu finden sein. Auch wenn beide  – Sourcing und Recruiting – viele Parallelen haben und das gemeinsame Ziel der Personalbeschaffung: Der zentrale Unterschied ist, dass der Recruiting Prozess linear, durchgeplant und nach klaren festgelegten Schritten abläuft. Er ist dadurch vielfach so starr, dass es kaum auf die nicht selten disruptiven Veränderungen der digitalen Transformation reagieren kann, ohne den ganzen Ablauf und die Tools grundsätzlich in Frage zu stellen. Der Sourcing Prozess dagegen ist anders als das Recruiting. Er ist bereits digitalisiert und hat sich systematisch an die Entwicklungen und kommende Weiterentwicklungen angepasst. Viele sehen ihn sogar als Reaktion und Folge auf den Digital Change im Talent Management, da er sich nicht auf viele Kandidaten ausrichtet, sondern auf wenige, passende Talente.

 

Erfolgreiche Sourcing Prozesse sind deshalb immer iterativ und ‘agile’. Deshalb ist Sourcing Talent Management und nicht einfach nur ‘proaktives’ Recruiting.

Unterschied Prozess Vergleich Recruiting und Sourcing

Sourcing – ein agiler Workflow!

Anders als im klassischen Recruitingprozess können im Sourcing Workflow nicht im Voraus alle Einzelheiten genau geplant werden und werden deshalb auch nicht fixiert. Die Tools ‘Suchalgorithmen’ lassen sich nicht linear planen, da deren Wirkungsweise nicht linear ist. Deshalb ist Sourcing kein geradliniger, langer Durchgang, denn die Anforderungen ändern sich konstant während der (online) Durchführung eines Personalbeschaffungsprojektes. Bei ‘agilen’ Prozessen geht es im Kern um einen adaptiven Workflow, der häufige Rückkopplungsprozesse und zyklisches (iteratives) Vorgehen auf allen Ebenen erfordert. Ursache ist, dass viele Variablen nicht bekannt sind und nicht (im Voraus) festgelegt werden können.

Sourcing ist eine Einstellung

Und alles was sich bereits ‘agile’ an die digitale Entwicklung angepasst hat, hat Veränderung nicht nur im Workflow und Tools erfahren, sondern auch in der Einstellung und im Bewußtsein der Anwender. Nichts davon kommt zufällig, intuitiv oder über Nacht. Wer denkt, man kann professionelles Sourcing durch einen 2-stündigen Vortrag über die Semantische Suche und ein bißchen Selbststudium lernen, wird schnell durch die Realität eingeholt werden.

 

Effizientes Sourcing ist das gezielte Steuern von Suchmaschinen mit Hilfe von verschiedenen Methoden und Tools und das kombinierte, wertschätzende Gewinnen dieser wenigen, passenden Talente.

Und das geht nur erfolgreich mit der Kombination passender Tools und Methoden und einem flexiblen , digitalen Mindset. Ein solches Mindset erfordert auch von erfahrenen Recruitern ein komplettes Umdenken und Rebooten – sonst verliert man Effizienz und hat nur Mehrarbeit ohne Sourcing-Erfolg und keinen Wettbewerbsvorteil. Die Gleichung ist einfach: Falsche Einstellung – falsche Auswahl der Tools oder falscher Einsatz der Tools – weniger, bis keine passenden Talente (und hoher Zeit- und Kosteneinsatz).

Zusammenfassung

Auch gute Recruiter sind und waren immer schon aktiv und denken voraus. Doch sie haben andere Aufgaben, nützen andere Tools und Verfahren als Sourcer. Der erfolgreiche Einsatz von Tools und Methoden hängt vom Medium und Ziel ab, aber auch vom Können und Mindset des Anwenders. Deshalb ist es eine Tatsache, dass man heute nicht alle Vakanzen erfolgreich alleine durch den klassischen Recruiting Workflow besetzen kann. Aber ebenso ist es ein Fakt, dass nicht alle Stellen erfolgreich mit Sourcing besetzt werden können. Klug ist es in der Personalbeschaffung heute, beide Prozesse passend zu kombinieren und auch den dritten Bereich nicht außer Acht zu lassen: Die telefonische Direktansprache. Diese gewinnt zunehmend an Wichtigkeit, je mehr Menschen online auf Mitarbeitersuche und -gewinnung gehen.

Fazit

Wenn die jeweiligen Akteure die Prozesse nicht kennen und nicht richtig einschätzen bzw. durchführen, dann ist der Personalbeschaffungs-Erfolg besonders in dieser schnelllebigen Zeit gefährdet. Moderne, erfolgreiche Personalarbeit muss sich deshalb auf Sourcing Knowhow stützen, nicht nur um wettbewerbsfähig zu bleiben und Dienstleister richtig einzuschätzen. Sondern um sich für den erfolgreichen Weg in der Personalbeschaffung zu entscheiden. Denn der Gesamterfolg Ihrer Recruiting und Sourcing Aktivitäten hängt heute schon von der richtige Entscheidung für die passende Vorgehensweise und dem aktuellen Knowhow der Umsetzer ab.

HAPPY SOURCING & RECRUITING!

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    Author

    • Sie ist pragmatische Talentfinderin, Expertin im ‚Finden‘ talentierter Mitarbeiter, Social Recruiting Coach, Master-Sourcerin, Trainerin und Autorin des Besteller-Kompendiums “Praxiswissen Talent Sourcing” sowie Co-Autorin des Bestellerbuches ‘Praxishandbuch Social Media Recruiting’. Nach einem BWL-Studium in Deutschland und Großbritannien, langjähriger Erfahrung als Personalmanagerin in renommierten Qualitätsunternehmen der Industrie und als Partnerin bei Top-10-Personalberatungen gründete sie 2005 die Intercessio GmbH. Ihr Motto: In Dir muss brennen, was Du in anderen entfachen willst – Augustinus

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