Jeder, nicht nur im Recruiting, lernt und kennt die Regel, dass Unternehmen mit den besten Mitarbeitern die Gewinner-Organisationen sind. Überall, ob im Fußball oder bei den großen Marken wird dieses Konzept verkündet. So einfach es klingt – die Umsetzung dieser Maxime ist in der Realität eine völlig andere Sache. Denn außer der puren Präsenz in Jobboards und hier und da in Social Media Sites auf  Facebook, Xing und LinkedIn und noch seltener einer Karrieresite wird Recruiting als eine ‘teure Aufgabe’ gesehen. Und das ‘teuer’ auch als Grund angeführt, warum man sich die ‘besten’ Mitarbeiter nicht leisten kann, sie nicht findet, sie nicht gewinnen kann, sie nicht ins Gehaltssystem passen. In diesem Blogpost prüfen und diskutieren wir, ob und wie der Fachkräftemangel das Recruiting der besten Mitarbeiter verteuert

Was haben Glanzbroschüren mit dem Fachkräftemangel zu tun?

Betrachtet man den bisherigen Recruitingprozess aus der Vogelperspektive, dann erklärt sich diese Denkweise schnell. Bevor die Digitalisierung und gleichzeitige demographische Veränderung den Bewerbermarkt atomisiert hat, versammelten sich die guten Talente entweder an Hotspots mit dem klangvollen Namen ‘Frankfurter Allgemeine’ oder ‘Süddeutsche Zeitung’ und warteten geduldig auf das, was die Recruiter, dann mit ihren abgegebenen ‘CV-Visitenkarten’ machten.

Es war eine Orgie der Superlativen: Großformatige Unternehmensanzeigen wurde geschaltet mit gewaltigen Marketing-Budgets – in Farbe natürlich, Glanzbroschüren wurden entwickelt über die Vision ‘der Mensch im Mittelpunkt’.  Und um aus dieser Masse an Bewerbern die richtigen herauszufinden, entwickelten findige Recruiter und ihre Helfer immer neue, noch komplexere Selektionsverfahren. Der Zeitgeist 1999 wurde von einer Werbung der Sparkasse wunderbar eingefangen und die Logik ist klar: Wer am opulentesten präsent ist, auf den warten die besten Bewerber am längsten – prima, ein neuer Wettbewerb war geboren.

Jetzt geht der Kampf um die Fachkräfte online weiter!

Die ersten Websites hießen dann ‘Internetpräsenz‘ – und spiegelten einfach nur diese Offline-Situation. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert – ein großer Teil der Personalberatungen ist stolz auf Ihre repräsentativen‘ Websites mit ihren ‘repräsentativen‘ Villen und Räumen … Und wenn Sie jetzt denken, das ist nur bei Personalberatungen so, dann überlegen Sie mal, wieviele Unternehmens-Websites bis heute die Glasfronten ihrer Businessgebäude in den Vordergrund stellen. Und daran sind nicht alleine die Media Agenturen schuld – das wurde so bestellt und beauftragt. Aber ein guter Recruiter stellt sich heute die Frage: Wo ist der Mehrwert für meine Kandidaten bei soviel Pracht, Macht und Ich-Botschaften? Oder noch präziser: Was davon hat eine so nachhaltige Candidate Experience, das ich dieses versprechende Talent ‘akquirieren’ kann?

Keine gute Idee im Fachkräftemangel: Übertriebene Selbstdarstellung

Vielfach werden bereits die HR-Fachbereiche vermischt und daraus ein Einheitsbrei gerührt: Employer Branding sei/ist Recruiting und Personalmarketing auch, ist doch alles das gleiche und hat früher schon keinen Unterschied gemacht und ist halt so. Und solange die Recruiting Kunden denken, dass sie mit einer Employer Branding Maßnahme automatisch besseres Recruiting betreiben und dafür gut bezahlen, werden Media Agenturen ganz selten zur Aufklärung beitragen, dass das nicht so ist.

Aber Recruiting ist (= Verb = Einzelpersonen bezogene Aktion = etwas tun)

  1. der Prozess der Personalgewinnung plus
  2. der Personalauswahl und
  3. der Einstellung. 

Wie sieht modernes und gutes Employer Branding dann heute wirklich aus?

Dagegen ist das Employer Branding eine Metaebene darüber und die Employer Brand der Spiegel eines Zustands, an dem man natürlich arbeiten muss. (Sehr schöne Erklärung von Dominik A. Hahn hier: Employer Branding ist kein Personalmarketing ist kein Recruiting ist kein Talent Management)

Um allen Mißverständnisse vorzubeugen: Gutes Recruiting geht zwar auch ohne Employer Branding, aber besser, leichter und erfolgsversprechender ist es mit gutem Employer Branding. Und beides kann sogar ganz ohne Personalmarketing auskommen! Darin liegt genau der Unterschied – Zappos beweist, dass es ohne Personalmarketing geht. Und die vielen erfolgreichen Personalberater, machen es per Direct Search vor (und haben keine Chance am Telefon ‘Employer Branding’ zu platzieren). Es geht bei Personaldienstleistern und Personalberatern oft sogar freihändig – ganz ohne Employer Branding und ohne Personalmarketing funktioniert es auch erfolgreich. Gutes Recruiting muss also nicht teuer sein.

Talent Acquisition ist wichtig: Auch Talente wollen umgarnt werden!

Wenn ein Personalleiter in eine Personalberatung wechselt, sind für ihn oder sie zwei Dinge besonders schwer und erfordern Umhandeln (nicht nur Umdenken):  Er fällt tief vom gefragten Manager in gehobener Stellung einer Organisation zum Bittsteller, der um gut honorierte Aufträge buhlt  und ‘nebenbei’ muss er auch noch  Kontakten hinterherlaufen, die einfach nicht verstehen wollen, wie toll der beauftragende Kunde ist.  Und dann muss dieser Personalberater auch noch in einem 3 Minuten Telefonat dieses Vorzüge seines Kunden an den Mann und die Frau zu bringen. Das ist mehr als nur Gewinnen. Das ist Kunst. Aber die beherrschen viel Personalberater nicht, und haben die Aufgabenstellung des Researchs erfunden.

 

So sitzt am Ende dieser Kette dann nur zu oft ein unausgebildeter Student als ‘Researcher’. Und es passiert nicht selten, dass dieser Research ungewollt in negativer Form den Beweis fährt, dass gutes Employer Branding ganz etwas anderes ist als Recruiting: Dieser Researcher zerschlägt (schlecht bezahlt) die teuren Employer Branding Konzepte mit seinem System. Und dieses System ist eine Massenansprache und genau nicht die Wertschätzung und positive Candidate Experience, von denen alle in der Hackordnung vor ihm Sprechen. Der Recruiter mit der zu besetztenden Vakanz hat zwei Lösungen: Er macht es selbst oder als guter Sales Beauftragter, stellt er sicher, wie sein Berater ‘kontaktet’.

Kann man die Leistung einer HR Abteilung bepreisen?

Lassen Sie uns das doch diese These aus dem 80er Jahren, dass HR eine Service Unit ist, einfach auf die Seite stellen und den Gedanken ganz ketzerisch zu Ende spinnen. Nehmen wir den Ansatz, dass HR keine Service

Abteilung ist, sondern wertschöpfend (!) und auf Augenhöhe der Kollegen zum Business (!) beiträgt. Dann sind sie keine Business Partner, sondern Fachkollegen mit eigenen ‘Produkten’ bzw. Dienstleistungen für die sie vor allem extern Kunden suchen. Und konsequenter Weise ist ihre Dienstleistung nicht auf die Zusammenarbeit nach innen gerichtet (Service), sondern ein Teil des Business – der sich letztlich im Unternehmenserfolg in Euro niederschlägt und berechnet werden kann. Wer anders, als die Recruiter bzw. die modernen Sourcer sind dann die Sales Force, die das Unternehmen an neue Mitarbeiter ‘verkauft’?

Das Pfui-Thema: Der Preis von wertschätzendem Recruiting?

Ein Aufschrei geht nur zu oft durch die Reihen von Human Resource (und nicht selten von Hiring Managers, die HR gar nicht auf Augenhöhe sehen wollen), wenn es darum geht, das Work Force Business im Unternehmen monetär gegenüber den ‘Business Partnern’ zu bewerten – ist schließlich HR nicht nur eine ‘subordinierte’ Service Abteilung?  Denn das ist praktisch: Sie haben den ‘wahren’ Fachbereichen zu ‘dienen’ und zu gehorchen. Und da muss man nicht über Geld sprechen.

Aber das genau ist mehr als inkonsequent. Denn die gleiche Abteilung, die sich als HR- Business Partner (sogar oft noch mit dem Zusatz Advisory) sieht und so behandelt werden wird (und oft sogar möchte), arbeitet mit Dienstleistungsarmeen zusammen, die nichts anders machen, als sie in ihrem Job zu vertreten. Formulieren wir es banal: für Geld und oft sogar auf Erfolg (!). Dort geht es – oder besser muss es gehen. Komisch?!

Können gute Recruiter auch Sales?

Zurück zu unserem Thema: Verteuert der Fachkräftemangel das Recruiting? Ja – durch die sogenannten Opportunitätskosten. (hier Wikipedia:) Und zwar dort, wo im Grund niemand individuell auf die wenigen neuen, potentiellen Mitarbeiter zugeht, die es dann für das Unternehmen im Fachkräftemangel noch gibt. Und dieser Fachkräftemangel wird, wo er auftritt auch noch durch die unendlichen Weiten des World Wide Web akzelliert.

Wenn dann letztlich diesen wenigen handverlesenen Persönlichkeiten, die für die offenen Funktionen in Frage kommen würden,  niemand vom Unternehmen aktiv, persönlich schmackhaft macht, wie toll  das Arbeiten für einen neuen Arbeitgeber ist, dann wird es wirklich teuer.

Die Wahrheit: Ein Denkfehler verursacht die Verteuerung des Fachkräftemangels!

Fassen wir zusammen: Im Business Partner Modell ist HR nicht für Sales nach außen verantwortlich – schließlich ist HR ‘nur Partner’ – nicht im Sales. Dafür sind die Business Verantwortlichen zuständig: Die Hiring Manager. Aber Human Resource schickt nur zu oft das Recruiting in eine Mission Impossible. Denn distanzierte Repräsentation per irgendwo eine Karrierepage (oft nicht mal das) nach dem Prinzip Hoffnung (Personalmarketing und Employer Branding richtet es) – und beauftragte Personalberatungen und Personaldienstleister, die keinen Grund haben, da sie von diesem System leben, irgendetwas zur Änderung beizutragen, verteuern nur den Fachkräftemangel – und akzellieren ihn auch noch.

Zusammenfassung:

Da Zeit Geld ist, kann das Recruiting den Weg zum Talent nur abkürzen, wenn es selbst aktiv auf diese besten Talente zugeht. Verharren auf dem internen ‘Service Gedanken’ ist ein teurer Denkfehler, oft sogar die Ursache für den Fachkräftemangel.

Die Lösung: Aktiv auf potentielle Kandidaten zu gehen und kontakten, netzwerken, online wie offline und zwar als Recruiting Team: Hiring Manager zusammen mit ihren Fachkollegen und Spezialisten aus HR. Gute Recruiter können heute Sales!

Oder sehen Sie das anders?

HAPPY RECRUITING!

 

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